Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
noch immer in dem luxuriösen Hôtel de la Palmeraie logierte, schrumpften meine finanziellen Mittel mit erschreckender Geschwindigkeit. Ich musste unbedingt eine günstigere Übernachtungsmöglichkeit finden. Und doch brachte ich am Ende jener drei ersten Tage, wenn ich abends müde und erschöpft ins Hotel zurückkehrte, nicht mehr die Energie auf, mir eine billigere Bleibe zu suchen, geschweige denn umzuziehen.
Der Morgen des vierten Tages verlief nach dem gleichen Muster wie die vorangegangenen Tage. Um die Mittagszeit begab ich mich zum Postamt, um in Albany anzurufen, angesichts des Zeitunterschieds eine günstige Zeit, wie ich mir ausgerechnet hatte. Nachdem ich eine halbe Stunde warten musste, wurde ich zum Telefon gebeten, und ich vernahm die Stimme von Mr Barlow.
» Mr Barlow«, sagte ich laut. In der Leitung knisterte es. » Mr Barlow, hier ist Sidonie.«
» Sidonie, von woher rufst du an?«
» Ich bin in Marokko.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. » Wo ist das?«
» In Nordafrika.«
Wieder Stille.
» Und geht es dir gut?«
» Ja, alles in Ordnung. Ich wollte nur fragen … ist irgendwelche Post für mich gekommen?«
» Post? Nun, da muss ich rasch Nora holen. Warte bitte einen Moment.«
Ich hörte, wie er » Nora« rief, dann ein gedämpftes Murmeln. Nun mach schon, Mrs Barlow. Ich hatte Angst, dass die Verbindung unterbrochen würde.
» Sidonie? Bist du noch da? Warum bist du in Afrika? Du sagtest doch, du würdest nach Frankreich reisen. Wann kommst du nach Hause?«
» Mrs Barlow«, sagte ich, » wie geht es Ihnen?« Angesichts des zunehmenden Knackens in der Leitung überging ich ihre Fragen.
» Mir geht es gut. Allerdings hatten wir so viel Regen, und …«
Ich fiel ihr ins Wort. » Ist Post für mich gekommen, seit ich abgereist bin? Irgendwelche Briefe?«
» Briefe?«
Ich musste mich zusammenreißen, um die Geduld nicht zu verlieren. » Von Dr. Duverger. Oder … irgendein Brief mit ausländischer Briefmarke. Ist keiner gekommen?«
» Nein. Aber … hast du ihn noch nicht gefunden? Warum kommst du dann nicht nach Hause? Und was das andere betrifft … Du weißt schon. Wie geht es dir?«
Das Knacken und Rauschen wurde immer stärker, und ich musste einen Moment warten, bis die Leitung wieder besser war.
» Sidonie? Bist du noch da?« Mrs Barlows Stimme hörte sich dünn und weit entfernt an.
» Ja. Ist mit Zinnober alles in Ordnung?« Ich schrie fast.
» Nun, sie ist …«, begann sie, und dann wurde die Verbindung unterbrochen.
» Mrs Barlow?«, schrie ich in den Hörer, doch zunächst war nur Stille und dann ein wiederholtes Knacken zu hören.
Ich hängte ein, ging zum Schalter und bezahlte den Anruf. Dann kehrte ich müde und niedergeschlagen ins Hotel zurück, wo ich mich benommen in einen Sessel in der Lobby setzte.
Plötzlich blieb Mr Russell vor mir stehen.
» Wir haben Sie gar nicht mehr gesehen, Miss O’Shea«, sagte er. » Nicht einmal im Speisesaal.«
Ich lächelte matt. » Ja … ich war beschäftigt und habe meine Mahlzeiten entweder auf dem Zimmer oder …« Als mir bewusst wurde, dass ich in letzter Zeit nur wenig gegessen hatte, unterbrach ich mich.
» Mrs Russell und ich reisen morgen nach Essaouira ab und wollten heute Nachmittag noch den Majorelle-Garten besuchen. Er liegt im Nordwesten der Stadt. Haben Sie schon davon gehört?«
Ich verneinte.
» Haben Sie sich diese Bilder angesehen?«, fragte er und deutete auf die Aquarelle an der Wand. » Sie sind verkäuflich, einige Gäste nehmen gern Gemälde mit Ansichten von Marokko mit nach Hause. Une passion marocaine, wie sie sagen. Sie kosten nicht viel. Es sind sogar ein paar Werke von Jacques Majorelle darunter.«
Ich erwiderte nichts. Mir war nicht danach, mich mit Mr Russell über Malerei zu unterhalten.
Aber er war offensichtlich in Redelaune. »Er ist ein ganz passabler Künstler mit einem Händchen für extravagante Aquarelle vom Orient. Und wie gesagt scheinen viele Touristen derlei Motive zu mögen. Doch Majorelle hat sich auch auf anderem Gebiet hervorgetan und vor einigen Jahren die Idee gehabt, einen wunderschönen Garten zu entwerfen. Er kaufte ein paar Hektar Land, auf dem damals noch Dattelpalmen angebaut wurden. Heute gibt es dort eine eindrucksvolle Fülle von Kakteen, Sukkulenten, Bambussträuchern, Bananenbäumen, Farnbäumen und so weiter zu bewundern. Soweit ich weiß, hat er Dutzende verschiedener Palmen importiert. An einigen Teilen des Gartens wird noch immer gearbeitet.
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