Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
darunter in kleineren Lettern die arabische Entsprechung. Ich nahm an, dass der Großteil der nichtarabischen Menschen, denen ich begegnete, Franzosen waren, die in der Ville Nouvelle lebten und arbeiteten. Die Männer, die Anzüge und Hüte trugen und Aktenmappen unter den Arm geklemmt hatten, schritten zielstrebig voran. Die französischen Frauen, die eingehakt durch die Straßen flanierten, einige mit Einkaufstüten in der Hand, trugen hübsche Sommerkleider und hochhackige Schuhe, Hüte und Handschuhe. Mir fiel auf, dass die Marokkaner, wenn sie einem Franzosen oder einer Französin begegneten, stehen blieben und grüßten.
Mehr als einmal blickte mir ein Marokkaner kurz ins Gesicht, als wäre er unsicher, ob er mir Ehrerbietung zollen sollte, um dann rasch weiterzugehen.
Arabische Frauen gab es auf den Straßen des Französischen Viertels offenbar nicht. Seit meiner Ankunft in Marrakesch hatte ich noch keine einzige gesehen.
Die Rue Arles fand ich auf Anhieb. Ich wartete, während ein Beamter nach dem Namen Duverger suchte. » Ja«, sagte er und beugte sich näher zu mir. » Die Duvergers besaßen ein Haus in der Rue des Chevaux. Aber …« Er zögerte, während er mit dem Zeigefinger die Zeilen entlangfuhr. » Nein«, sagte er dann. » Es wurde vor einigen Jahren verkauft. Nun gehört es einer Familie namens Mauchamp.« Er hob den Blick und sah mich an. » Das ist alles. Es gibt keinen Hinweis, dass jemand namens Duverger ein Haus im Französischen Viertel besitzt.«
Ich dankte ihm und ging wieder auf die Straße hinaus. Welche Möglichkeiten hatte ich jetzt noch? Sollte ich etwa schon in einer Sackgasse gelandet sein?, fragte ich mich. Irgendjemand musste Etienne Duverger doch kennen. Er hatte hier gelebt, seine Eltern waren gestorben und hier begraben worden, ebenso wie sein jüngerer Bruder Guillaume. Und auch Manon Duverger musste jemand kennen.
Während ich durch die Straßen ging, warf ich immer wieder einen Blick auf den Plan, den Monsieur Henri mir gegeben hatte. Und als ich tiefer in das Französische Viertel gelangte, bemerkte ich die rote Befestigungsmauer, die die Medina umgab. Abgesehen von seltsamen runden Löchern, die sich über die massive Mauer zogen, schien sie unbeschädigt zu sein. Zwar hörte ich von der anderen Seite menschliche Stimmen, wusste aber nicht, wie man in die Altstadt gelangte.
Eine riesige rote Moschee dominierte die anderen Gebäude. Sie war viereckig und wurde von einem hohen, kunstvoll gestalteten Minarett überragt. Ich schritt auf sie zu wie auf einen Leuchtturm. Dieses Bauwerk beherrschte so offensichtlich die ansonsten eher flach gebaute Stadt, dass es eine wichtige Rolle spielen musste. Doch ehe ich es erreichte, gelangte ich zu einem weit geöffneten Tor mit einem mächtigen Portal, das mit arabischen Schriftzeichen verziert war.
Ich wusste, dass es sich um den Haupteingang zur Medina, der Altstadt von Marrakesch, handelte.
Vor dem Tor blieb ich stehen und warf einen Blick durch den Eingang. Die andere Seite war bevölkert von afrikanischen Männern und Jungen, von denen manche einen Esel oder ein Pferd am Zügel führten, die schwer beladene Karren zogen. Die Gesichter der Männer faszinierten mich, weil alle so verschieden aussahen. Hier sprang das Rassengemisch noch mehr ins Auge als in Tanger oder Sale, oder in den kleinen Dörfern des Hinterlandes, die wir auf unserer Fahrt nach Marrakesch passiert hatten. Hier gab es Menschen mit heller Haut wie die der Europäer, hellbraunen oder rötlichen Bärten und einem Turban auf dem Kopf. Darunter mischten sich Berber aus der Wüste mit ihren hohen Wangenknochen und ihren sonnengebräunten und wie gemeißelten Gesichtern. Ihre Haut war so dunkel und glänzend wie Ebenholz, und ihre Köpfe waren von kurzen, krausen Haaren bedeckt. Es waren Sklaven oder die Nachkommen von Sklaven.
Ich rief mir in Erinnerung, wie Etienne mir von den marokkanischen Sklaven erzählt und wie ich darauf reagiert hatte.
» Nachdem die Franzosen ein Protektorat errichtet hatten, verboten sie den Sklavenhandel«, sagte er. » Aber es gibt immer noch Marokkaner, die Sklaven halten. Viele von ihnen stammen von den Völkern aus Subsahara-Afrika ab und wurden auf den Karawanenrouten von Westafrika in den Norden gebracht. In Marrakesch gibt es viele von ihnen.«
» Hattet ihr auch Sklaven?«, fragte ich und hoffte, er würde es verneinen.
» Wir hatten Bedienstete. Araber«, sagte er knapp und wechselte dann das Thema. Das tat er immer,
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