Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
Vom Netzwerk:
nachmittägliches Szenario, wie ich es mir immer gewünscht habe. Rilla seufzt tief, und ich lächle ihr zu; Schokolade klebt an ihrem Kinn. Gerade als ich aufgegessen habe, klingelt es erneut, und Rilla guckt enttäuscht. Ich schüttle den Kopf.
    »Kommt nicht infrage. Ich gehe. Du bleibst hier.«
    »Danke, Grace«, murmelt sie durch ihren Muffin.
    Gigi steht an der Theke, sie trägt einen dunklen Pullover, der ihr bis zu den Hüften reicht, dazu grüne Schnürstiefel, schwarze Leggins und eine dicke Schicht Make-up. Kajal umrahmt ihre mandelförmigen Augen wie Blutergüsse, und ihre Wimpern sind klebrig von der Mascara. Sie hat sich das Haar aus dem Gesicht frisiert.
    »Hallo«, sagt sie ruhig und richtet sich zu ihrer vollen Größe auf.
    »Hallo, Gigi. Was für eine schöne Frisur, der Pony …«
    »Oh, ja, ich habe sie zurückgesteckt. Abwechslung muss sein«, sagt sie und hebt das Kinn.
    »Sehr hübsch.«
    »Danke.« Das Kompliment scheint sie zu überraschen; ihr Gesichtsausdruck wird weicher, und ihre Wangen erröten. Langsam bröckelt ihre coole Fassade, und plötzlich sehe ich eine Ahnung von Yok Lans Sanftmut in ihren Zügen.
    »Was kann ich heute für Sie tun?«, frage ich und putze mir die Hände an der Schürze ab.
    Ihre Augen sind auf die Vitrine gerichtet, die inzwischen ziemlich leer ist. Sie betrachtet einen Kuchen mit einer dicken Glasur, die mit essbaren silbernen Sternen bedeckt ist. Ich nenne ihn Prinzessinnenkuchen – die kleinen Mädchen lieben ihn. Eine meiner Stammkundinnen sagt, dass er magische Kräfte hat; er bringt ihre Tochter dazu, für mindestens zwanzig Minuten den Mund zu halten.
    »Ein Stück davon. Bitte. Und einen Espresso.«
    »Gern, bringe ich Ihnen sofort.«
    Sie lächelt mich vorsichtig an. Irgendetwas zwischen uns hat sich verändert. Vielleicht liegt es an dem tragischen Erdbeben, dass wir uns alle nähergekommen sind. Oder daran, dass ich jetzt weiß, dass Yok Lan ihre Großmutter ist und wir deshalb das Gefühl haben, uns besser zu kennen. Was auch immer der Grund sein mag, Gigi ist heute in meiner Gegenwart entspannter.
    »Und wie geht es Yok Lan?«, frage ich.
    Rilla stellt sich neben mich und holt schweigend eine Espressotasse aus dem Regal. Sie muss die Bestellung in der Küche gehört haben.
    »Pau Pau? Oh, der geht’s gut. Sie war bei ihren Freundinnen und hat Mah-Jongg gespielt. Sie haben die Zeit vergessen. Ma hat einen Wutanfall bekommen.«
    Die Espressomaschine erwacht grollend zum Leben, dunkle Flüssigkeit spritzt aus dem Metallrohr und bildet einen dicken karamellfarbenen Schaum auf dem Kaffee. Rilla holt eine Untertasse und blickt besorgt auf. Yok Lan ist eine ihrer Lieblingskundinnen.
    »Ihre Mutter war sauer auf Yok Lan?«, frage ich und lege den Prinzessinnenkuchen auf einen Teller, ein großes Stück mit viel Glasur.
    Gigi zuckt mit den Achseln, wobei ihr Pullover die Schulter hinunterrutscht, sodass der Träger eines weißen BHs zum Vorschein kommt, der vom vielen Waschen eine zarte, graue Farbe angenommen hat.
    »Ma mag nicht, dass Pau Pau Mah-Jongg spielt. Sie findet das ebenso verwerflich wie Glücksspiele. Sie will nicht, dass sie das macht. Sie hätten ihr Gesicht sehen sollen, als ich ihr das erste Mal gesagt habe, dass ich Croupière werde. Nun gut, sie konnte mich nicht daran hindern, aber es hat sie nicht gerade gefreut. Obwohl sie über das Gehalt nicht gemeckert hat.«
    Sie zieht ihren Pullover wieder an seinen Platz zurück. Ihre Lippen sind fest geschlossen, als hätte sie bereits zu viel gesagt. Sie dreht sich um und steuert ihren Lieblingstisch an. Ich folge ihr mit einem Tablett mit dem Kaffee und dem Kuchen.
    Bevor sie geht, kommt sie zum Bezahlen an die Theke und entdeckt die Sparbüchse des Roten Kreuzes. Sie holt ihre Geldbörse wieder heraus und wirft eine großzügige Menge an Münzen hinein, dann tätschelt sie den Deckel, als wollte sie so ihre besten Wünsche mitgeben. Trotz der dicken Schicht Make-up wirkt ihr Gesicht plötzlich nackt und weich und jung. Als sie aufblickt, sieht sie mich eingehend und nachdenklich an.
    »Sie sollten etwas dafür backen.«
    »Was meinen Sie?«
    »Vielleicht einen Muffin mit einem roten Kreuz obendrauf. Und einen Teil des Verdienstes für diesen guten Zweck hier spenden. Das würde den Leuten gefallen.«
    Zögernd danke ich ihr. Ich bin mir nicht sicher, ob ich von diesem Mädchen einen geschäftlichen Rat will. Als sie mit den Schultern zuckt, fällt mir ein Stückchen Glasur auf, das an ihrem

Weitere Kostenlose Bücher