Der Duft von Tee
ist äußerst lebhaft – trotz einer kleinen Speckfalte um die Mitte. In den Winkeln seiner Augen haben sich nach oben gerichtete Fältchen gebildet.
»Pete Miller! Ich weiß alles über Sie. Schön, noch einen Aussie vor Ort zu haben, der sich um alles kümmert.«
Marjory lächelt ihren Mann an und legt ihm die Hand auf den Arm. »Schatz, wir verpassen die erste Hälfte, wenn wir nicht reingehen.«
Sie lässt Dons Hand los. Wir gehen zusammen zum Eingang, während Don und Pete uns folgen und über das Projekt plaudern. Nachdem wir die Eintrittskarten vorgezeigt haben, dreht Marjory sich zu mir um. »Ich habe das Gefühl, als wäre ich wochenlang unterwegs gewesen. Du musst mir unbedingt erzählen, wie es mit Gigi läuft. Und wie kommt Rilla mit ihr aus? Ich will alles wissen.«
Liebste Mama,
du hättest diesen Abend geliebt. Alles war so fremdartig und wunderschön, Mama. Das Herz rast mir noch immer in der Brust, meine Gedanken wirbeln durcheinander. Meine Haut kribbelt, ich kann nicht schlafen.
In der samtigen Schwärze des Theaters entfaltete sich eine Zirkusshow vor meinen Augen, die ihresgleichen sucht. Ein Traum. Eine flirrende Fantasie. Wie eine deiner Geschichten, Mama. Figuren fliegen durch die Luft, spannungsgeladene, magische Körper, Feuer, das direkt aus ihren Kehlen aufzusteigen scheint, Illusionen und Visionen.
Wie die Schausteller ihre Körper einsetzen, Mama. Die Musik strömt durch sie hindurch, als wären sie besessen davon. Leidenschaft, Kraft und Musik fließen durch Venen und Muskeln, sie bewegen sich, als hätten sie sich einer Macht ausgeliefert, die größer ist als wir alle, als hätten sie sich der Lebenskraft selbst ergeben. Springend, rollend, tauchend, die Haare zurückgeworfen, die Augen weit geöffnet und die Gesichter selbstvergessen gen Himmel gerichtet. Es war mir fast zu viel, fast zu persönlich. Körper, die festgehalten und in die Luft geworfen wurden, der Geruch nach Schweiß und Theaterschminke, konzentrierte, ekstatische Gesichter. Es hat mir den Atem verschlagen. Mein Herz raste. Ich wäre so gerne unter ihnen, eine von ihnen gewesen, hätte so gerne die Hände gespürt, die mich auffangen und hoch in die Dunkelheit werfen. Die Muskeln unter den Kostümen an meinem Körper gespürt, auf meiner Haut, den Atem in meinem Haar und heiß in meinem Nacken.
Dann verstummte die Welt. Die Bühne war schwarz wie die Nacht. Ein Mann und eine Frau erschienen wie in Mondlicht gebadet, die erleuchteten Körper waren weiß wie Schnee, grau und silbern und blau und weiß. Sie hielten einander fest, standen auf einem Podest, das wie ein schwimmender Eisberg aussah, bewegten sich zusammen wie in einer Art Trance. Hoben einander mühelos hoch und glitten übereinander wie Wasser. Sie bildeten ein Wesen, umklammerten sich, die Gesichter eng aneinander gepresst wie die Liebenden von Klimt. Jeder Atemzug vermischte sich mit dem des anderen, ihre Körper fügten sich ineinander wie Puzzleteile. Das Gesicht des Mannes war entrückt und silbern, kraftvoll und perfekt, als wäre es aus Marmor gehauen. Ich meinte die Form seines Jochbeins an meinem zu spüren, seine kühlen, starken Finger auf meiner geröteten Haut. Ein süßer Schauder durchfuhr meinen Körper. Die Vorstellung, wie sein Körper sich an meinen drängt. Es verschlug mir den Atem.
Pete hat sich zu mir vorgebeugt, als wollte er etwas sagen. Hat nach meiner Hand gegriffen, mich vielleicht auch im Dunkeln angesehen. Doch ich konnte mich nicht zu ihm umdrehen. Meine Augen waren auf die Bühne fixiert, auf dieses Wesen, das aus Eis zu bestehen schien. Mein Körper bebte, so wundervoll war dieses Gefühl. Begierde. Meine Haut prickelte. Der Gedanke an eine Berührung, die mich überall erzittern lässt, meine brennende Haut kühlt und mir das Gefühl gibt, dahinzuschmelzen.
Deine dich liebende Tochter
Grace
La Fièvre – Fieber
Rose mit einer Ganache aus dunkler Schokolade und scharfem Ingwer
Gigi und Rilla streiten sich über die Platzierung der Macarons. Gigi lehnt sich über die Theke und schnalzt missbilligend mit der Zunge.
»Du kannst doch dieses Macaron nicht neben das da legen«, sagt sie gereizt. Ihre Finger klopfen gegen das Glas und zeigen auf Rêve d’un Ange und Cœur curatif , die nebeneinanderliegen wie unbekümmerte Liebende.
Ich werfe einen Blick über Rillas Schulter, während ich Schaum auf einen Cappuccino löffle. Die Macarons sind beide weiß und würden tatsächlich besser zur Geltung kommen, wenn
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