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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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gerade auf den Weg machen. Danke für den Kaffee. Und die Macarons.« Er greift nach der Schachtel Cœur curatif , um die Rilla eine Schleife gebunden hat.
    »Es war mir ein Vergnügen. Danke für die Schokoladengabel.«
    »Kein Problem«, erwidert er liebenswürdig und dreht sich um, ohne mich zum Abschied zu küssen.
    Als er geht, wirkt das Café ohne seine raumfüllende, fröhliche Präsenz seltsam verlassen. Ich starre auf die Tür, durch die er verschwunden ist, während die Dunkelheit langsam über den frühabendlichen Himmel kriecht. Die Kasse schließt sich mit ihrem unverkennbaren Klingeln, und ich wende mich wieder Pete zu, der mich schweigend anstarrt.
    »Ich muss nur noch aufräumen, alles für morgen fertig machen …«, sage ich schnell, gehe um die Theke herum und schnappe mir mein Geschirrtuch.
    »Sicher.« Er nickt. »Ich unterhalte mich solange mit Marjory. Ich wollte sie sowieso nach Dons Nummer fragen, um mich mit ihm auf ein Bier zu treffen.«
    »Okay.«
    »Okay«, antwortet er.
    Wir halten beide einen Augenblick inne, dann dreht er sich um, und ich räume die Vitrine aus.
    Später am Abend wache ich auf der Couch auf. Mein Fuß ist im Schlaf auf den Boden gerutscht, und ich gebe einen Laut zwischen Grunzen und Gähnen von mir. Hinter dem offenen Vorhang ist es dunkel. Ich bin schweißbedeckt, mein Haar klebt an meiner Stirn. Der Fernseher plärrt, Bilder von Leuten, die mit leuchtenden Flaggen auf und ab hüpfen. Ich brauche ein paar Sekunden, um mich zu orientieren. Ich bin im Wohnzimmer, Pete döst auf der Couch gegenüber, wir haben uns einen Dokumentarfilm über die bevorstehende Olympiade in Beijing angesehen. Es hat Proteste und Verhaftungen gegeben, Gewalttätigkeiten in Tibet, Menschen wurden evakuiert, da ihre Häuser Stadien weichen mussten. Ich reibe mir die Augen und sehe zu Pete hinüber. Er hat sich zu seiner vollen Länge ausgestreckt und schnarcht laut.
    Ich wanke in die Küche. Mein Kopf ist schwer und benommen, als trüge ich eine Wassermelone auf den Schultern. Hoffentlich werde ich nicht krank; ich habe nicht die Zeit dazu. In großen, gierigen Zügen trinke ich ein Glas Wasser. Als ich es abstelle, schätze ich den Winkel falsch ein. Das Glas rutscht über die Arbeitsplatte, fällt zu Boden und zerbricht. Die Scherben verteilen sich über den Boden, kleine, gefährliche Glassplitter.
    »Scheiße.«
    Ich gehe mit leicht wackligen Beinen in die Hocke und sammle die Scherben auf. Ein kleiner Glasdiamant bohrt sich in meine Fingerkuppe und lässt mich erneut fluchen. Während ich mit pochendem Kopf auf dem Boden kauere und kleine blutige Tränen aus dem Schnitt auf den Boden tropfen, überrollt mich plötzlich die Erinnerung. Die dunkle Küche könnte jede Küche sein. Hier und jetzt oder damals und dort.
    Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, die letzten Scherben aufzulesen, doch eine nebelhafte Erinnerung lenkt mich ab.
    »Mama?«
    Sie sitzt in der Ecke. Auf dem Boden. Die Knie an die Brust gezogen.
    »Hallo, Mama?«
    Ihre wilden Augen sind gerötet.
    »Gracie«, flüstert sie, als könnte uns jemand belauschen.
    »Was tust du da?«
    Sie hat ihr Satinkleid über die Jeans gezogen. Sie starrt mich an, verwirrt und verloren. Ihre Augen liegen wie zwei braune Teiche in ihrem Gesicht. Ich blinzle, um sie in dem dämmrigen Licht besser sehen zu können. Das Kleid hat in einer Achselhöhle einen Riss, als hätte sie zu heftig daran gezogen.
    »Mama, was machst du hier?«
    »Äh. Äh, also …«, sie sieht sich nach beiden Seiten um, lässt ihre Knie nicht los. »Ich habe nur … nach etwas gesucht, schätze ich«, sagt sie, und ich höre das Zittern in ihrer Stimme.
    »Was hast du …?«
    »Komm her, Gracie. Komm, setz dich zu deiner Mama.« Sie klopft auf den Boden neben sich, als wäre ich noch ein Kind und kein linkischer, langbeiniger Teenager, und lächelt mich zaghaft an.
    »Ich habe morgen früh eine Prüfung.«
    »Komm her, mein Schatz. Nur eine Minute. Bitte.« Ihre Stimme ist rau und flehentlich, ihre Augen suchen die meinen. Ich gehe zu ihr und lasse mich auf dem Boden nieder. Die Fliesen unter mir sind hart und eiskalt.
    »So, so …«, sagt sie besänftigend, als müsste sie mich trösten. Ihre Augen leuchten auf, als sie mein Knie tätschelt. »Weißt du, Schätzchen, ich finde, dass du ruhig Reitstunden nehmen solltest, wenn du das so gerne möchtest. Vielleicht können wir dir sogar ein eigenes Pony kaufen.« Ihre Wangen unter den weit aufgerissenen, fiebrigen

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