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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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tat, was er von ihr verlangte.
    Ihr Verstand sagte ihr, dass diese Vorstellung lächerlich war, bloßes Wunschdenken. Sobald der Terrorist sie nicht |334| mehr brauchte, würde er sie umbringen, ebenso wie ihre Familie. Ihr Herz aber ignorierte diese Mahnungen.
    Um kurz vor zwölf kam Jim Cricket zum Empfang. Die ganze Aufregung schien an ihm abzuperlen wie Wasserspritzer an einem Bärenfell.
     Er sah sie mit seinen stahlblauen Augen an, die alles zu durchdringen schienen, und lächelte leicht. »Alles klar, Nancy?«
    Irgendwie schaffte sie es, seinem Blick standzuhalten. »Ja, Sir.«
    Seine Augen schienen sie zu durchbohren, und plötzlich fühlte sie, wie ihre Fassade zu wanken begann.
    »Sie wirken angespannt«, sagte er.
    Sie nickte. »Es … es ist ein bisschen viel, mit all den hohen Gästen …«
    »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …«
    Nancy schluckte. Sie konnte nicht mehr. Es hatte doch alles keinen Sinn. Sie hielt es nicht mehr aus, diese ungeheure Last
     allein zu tragen. Sie musste sich davon befreien. »Sir, ich …«
    Doch genau in diesem Moment wandte Cricket seinen Kopf ab, hielt eine Hand ans Ohr, um die Geräusche auszublenden. Offenbar
     erhielt er eine Nachricht über seinen fast unsichtbaren Ohrhörer. »Ja, alles klar, ich komme«, sprach er in den leeren Raum.
     Ohne Nancy eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er in Richtung des Seiteneingangs, der auf den Angestelltenparkplatz führte.
     Heute diente er als Hubschrauberlandeplatz.
    »Der Präsident ist gelandet!«, sagte Jack.
    Ein paar Minuten später kam der US-Präsident durch die Seitentür, begleitet von Cricket und zwei Sicherheitsleuten mit dunklen
     Sonnenbrillen. Er wirkte kleiner als im Fernsehen, doch seine hellen Augen strahlten, und sein Lächeln wirkte gewinnend. Er
     sah Nancy an und ging direkt auf sie zu. »Mein Name ist Richard Zinger«, sagte er.
    |335| Nancy nahm zögernd die ausgestreckte Hand, deren Druck angenehm fest war. »Herzlich willkommen im Al Mandhar, Mr. President.
     Ihren Zimmerschlüssel hat Mr. Cricket ja bereits. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und viel Erfolg bei der Konferenz.«
    Der Präsident hielt Blickkontakt. »Sie arbeiten schon lange in diesem Hotel?«
    Nancy nickte. »Ja, Sir. Seit sieben Jahren.«
    »Und wie fühlen Sie sich fernab der Heimat? Wünschen Sie sich nicht manchmal, wieder in unser Land zurückzukehren?«
    Nancy hatte plötzlich das Gefühl, ihre Entscheidung, in Riad zu leben, verteidigen zu müssen. »Mein Mann arbeitet hier als
     Architekt.«
    »Ich verstehe«, sagte der Präsident. Er ignorierte die Handzeichen von Cricket, der ihn auf sein Zimmer bugsieren wollte.
     Der Hubschrauber war leicht verspätet eingetroffen, und der Zeitplan eng, doch Zinger ließ sich nicht beirren. Er gab Nancy
     das Gefühl, dass die kleine Plauderei mit ihr wichtiger war als alles andere, dass sie im Mittelpunkt seines Interesses stand.
     »Ich finde es gut, wenn Amerikaner gern hier in Saudi-Arabien sind. Das festigt die Beziehungen zwischen unseren Ländern.
     Haben Sie Kinder, Nancy?«
    »Zwei, Sir. Einen Jungen und ein Mädchen.« Im selben Moment erkannte Nancy, dass die Aufmerksamkeit des Präsidenten nur eine
     Masche war, seine Art, Menschen für sich einzunehmen. Indem er anderen das Gefühl gab, wichtig zu sein, machte er sich selbst
     sympathisch. Genau dasselbe tat sie jeden Tag. Und es war genauso unecht. Plötzlich wünschte sie sich, der US-Präsident hätte
     sie ebenso ignoriert wie all die anderen Staatsoberhäupter, sie vielleicht sogar herablassend behandelt. Es wäre wenigstens
     ehrlich gewesen.
    |336| »Das ist schön«, plauderte der Präsident stattdessen weiter. »Ihre Kinder wachsen in zwei verschiedenen Kulturkreisen auf.
     Sie werden bestimmt mehr Verständnis für die Probleme einer globalisierten Welt haben als viele ihrer Altersgenossen, die
     nie über die Grenzen ihres Bundesstaates hinausgekommen sind.«
    Nancy vermied es, den Präsidenten darauf hinzuweisen, dass das Leben in einem abgeschotteten Wohnpark kaum zum Verständnis
     einer fremden Kultur beitrug. »Ja, Sir, das hoffe ich auch.«
    Er lächelte. »Ich glaube, wenn ich jetzt nicht auf mein Zimmer gehe, lässt Mr. Cricket mich abführen«, sagte er und zwinkerte
     ihr zu. »Machen Sie’s gut, Nancy. Und grüßen Sie Ihren Mann von mir!«
    »Das werde ich gern tun, Sir. Vielen Dank!«
    Zinger wandte sich ab und ließ sich von seinen Begleitern zum Aufzug führen. Cricket warf Nancy

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