Der Duft
den Raum stürmten, kam es ihr
so vor, als störten sie eine Andacht oder irgendein geheimes Ritual. Einige Wenige an den Laptops hoben die Köpfe und warfen
ihnen kurze, verwunderte Blicke zu, doch die meisten konzentrierten sich weiter auf ihre Aufgabe, was immer das sein mochte.
Ein Mann stand etwas abseits und blickte auf die Monitorwand. Er war drahtig und muskulös und hatte blondes Stoppelhaar. Als
er Harrisburg erkannte, ging er auf sie zu und gab Marie die Hand. »Sie müssen Frau Escher sein«, sagte er. »Ich bin Jim Cricket,
Leiter des Sicherheitsdienstes der Konferenz. Mr. Harrisburg hat mir von ihren außergewöhnlichen Erlebnissen erzählt.« In
der Betonung des Wortes »außergewöhnlich« schwang eine gehörige Portion Skepsis mit. Er warf einen kurzen Blick zu Harrisburg.
»Normalerweise haben Zivilisten keinen Zutritt zu diesem Raum. Aber Bob ist der Meinung, Sie könnten uns helfen, einen möglichen
Terroranschlag abzuwehren.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich viel tun kann«, entgegnete Marie.
»Haben Sie einen Arbeitsplatz für uns?«, fragte Harrisburg. »Ich möchte mit Frau Escher die Überwachungskameras checken. Vielleicht
erkennt sie jemanden.«
»Natürlich. Kommen Sie.« Cricket führte sie zu einem der Tische, an dem eine junge Frau mit asiatischen Gesichtszügen an einem
Laptop saß. »Mrs. Wu, würden Sie bitte Mr. Harrisburg und Mrs. Escher helfen. Sie suchen im Hotel nach Terroristen, die sich
irgendwie eingeschlichen haben könnten.«
|347| »Aber Sir, niemand ist im Hotel, den wir nicht gründlich überprüft haben«, sagte Wu.
»Ich weiß. Tun sie trotzdem, worum Mr. Harrisburg sie bittet.«
»Natürlich, Sir.« Sie wandte sich an Harrisburg. »Was genau möchten Sie sehen?«
»Ich brauche eine Übersicht der Bilder aller Kameras«, sagte Harrisburg.
»Aber Sir, wir haben über 400 davon allein im Hotel.«
»Können Sie mir eine Übersicht aller Kameras geben, in deren Sichtfeld sich Menschen befinden?«
Wu nickte. Sie klickte mit der Maus, und auf dem Bildschirm erschien eine Meldung: »108 feeds found«. Sie klickte auf OK,
und der Monitor füllte sich mit sechzehn Miniaturbildern. Die meisten zeigten die Konferenz aus verschiedenen Perspektiven.
Am unteren Rand des Bildschirms konnte man sehen, dass noch weitere sechs Ansichten mit solchen Miniaturdarstellungen folgten.
»Weiter«, sagte Harrisburg, und Wu klickte. Die nächsten sechzehn Kamerapositionen zeigten den Eingangs- und den Küchenbereich
des Hotels, in dem zwei Dutzend Köche hektisch das Abendessen vorbereiteten.
»Weiter«, sagte Harrisburg.
Noch mehr Küchenbilder. Bilder der Sicherheitsschleuse, die Marie und Harrisburg gerade durchquert hatten. Ein Flur, durch
den eine Putzfrau mit einem Reinigungswagen schlurfte. Zwei Sicherheitsbeamte, die in einem anderen Flur patrouillierten.
»Weiter.«
Gänge, in denen CIA-Leute wachten. Die Suite eines Staatsoberhauptes, in der einige arabisch aussehende Männer beisammensaßen
und Tee tranken – vermutlich Begleiter und Bodyguards, die nicht mit in den Konferenzbereich durften.
|348| »Sie haben auch Kameras in den Zimmern der Delegierten?«, fragte Harrisburg.
Wu nickte. »Natürlich. Allerdings sind sie von den Zimmerbewohnern abschaltbar. Die Vereinbarung ist, dass die Kameras ausgeschaltet
werden, sobald das betreffende Staatsoberhaupt seine Räume betritt, und andernfalls eingeschaltet sind.«
»Machen Sie das bitte mal groß!« Harrisburg wies auf das Miniaturbild mit den Arabern.
Wu klickte, und das Bild füllte den Flatscreen aus.
»Erkennen Sie jemanden?«, fragte Harrisburg.
Marie schüttelte den Kopf.
»Weiter.«
Sie schalteten durch Ansichten mehrerer Kamerapositionen, bis sie schließlich alle 108 Miniaturbilder überprüft hatten.
Etwas stimmt nicht, flüsterte eine nagende Stimme in Maries Kopf. Etwas ist falsch.
Harrisburg sah sie an. »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, Frau Escher?«
Nein. Nein, ihr war nichts aufgefallen. Nichts, was sie greifen, was sie logisch begründen konnte. Da war nur diese Stimme.
Die Stimme, die ihr einreden wollte, dass sie etwas übersehen hatte, dass da etwas war, was man mit dem Verstand nicht fassen
konnte.
Der Vater sitzt auf dem Sofa. Der Fernseher läuft, doch das kleine Mädchen sieht, er guckt nicht wirklich zu. Seine Augen
starren ins Leere, als könne er dort etwas sehen, was es gar nicht gibt. In den letzten Tagen hat er oft diesen Ausdruck in
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