Der Duft
haben Ihre Angaben inzwischen überprüft, Frau Escher«, sagte er ohne Umschweife. »Ihr Kollege liegt auf der Intensivstation
der Charité.«
Marie erlaubte sich nicht, erleichtert aufzuatmen. »Wie geht es ihm? Ist er schwer verletzt? Wird er durchkommen?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er Glück hatte. Spaziergänger haben den Vorfall beobachtet und sofort einen Krankenwagen
gerufen.«
»Haben sie den Mörd… den Schützen gesehen?«
»Ja. Er ist hinter Ihnen her gerannt. Aber die Beschreibung ist sehr ungenau. Ein Mann mittleren Alters und mittlerer Größe,
mit dunklen Haaren. Er trug Jeans und eine Lederjacke. Einer der beiden Zeugen sprach von einer dunklen Haut, aber seine Frau
konnte das nicht bestätigen. Mehr wissen wir nicht. Deswegen sind wir ja hier. Herr Zohlert vom Verfassungsschutz möchte Ihnen
noch ein paar Fragen stellen.« Er deutete mit dem Kopf auf den jungen Mann in Zivil.
»Ich muss zu ihm«, sagte sie.
»Später. Momentan können Sie sowieso nichts tun. Wir werden Sie nachher ins Krankenhaus begleiten. Aber erst mal beantworten
Sie bitte unsere Fragen.«
Marie nickte. »Gut, kommen Sie.« Der Kommissar gab den beiden Uniformierten Anweisung, vor dem Haus zu warten. Dann folgte
er Marie zusammen mit Zohlert in das modern eingerichtete Wohnzimmer.
|398| Der Mann vom Verfassungsschutz stellte ein Diktiergerät auf den Couchtisch und schaltete es ein. »Sie haben doch nichts dagegen?«
Marie schüttelte den Kopf.
»Sie erwähnten gegenüber Hauptkommissar Schneider einen Terroristen, Nariv Ondomar. Was wissen Sie über ihn?«
Marie zögerte einen Moment. Immerhin hatte sie der Sicherheitsberater des US-Präsidenten persönlich gebeten, nichts über die
Ereignisse in Riad zu erzählen. Andererseits hatte Corline auch nicht verhindert, dass jetzt ein Killer hier in Berlin Jagd
auf sie machte. Also begann sie zu schildern, was geschehen war.
Eine Stunde später schaltete Zohlert das Diktiergerät ab. »Das ist eine unglaubliche Geschichte«, sagte er. Doch es klang
nicht so, als glaube er ihr nicht – im Gegenteil. Zwischendurch hatte er mehrmals genickt, als seien ihm durch Maries Erzählung
erst einige Dinge klar geworden, die ihn schon länger beschäftigten. Der Kommissar hatte die ganze Zeit stumm dagesessen und
zugehört, während seine Miene immer wieder zwischen Erstaunen und Zweifel gewechselt hatte.
Marie war froh, alles erzählt zu haben. Es war eine große Erleichterung, das Geheimnis des Pheromons nicht mehr allein mit
sich herumzutragen. Der Verfassungsschutz würde wissen, was zu tun war. Und wenn der Killer begriff, dass Marie ohnehin alles
ausgeplaudert hatte, bestand auch kein Grund mehr, sie umzubringen.
»Und Sie haben keine Ahnung, wer hinter dem Anschlag auf Sie stecken könnte? Könnte es nicht doch Nariv Ondomar gewesen sein,
oder einer seiner Leute?«, fragte Zohlert.
»Warum sollte er das tun?«
»Aus Rache. Immerhin haben Sie ihn verraten und den Anschlag in Riad verhindert.«
|399| »Das glaube ich nicht. Es mag sein, dass er mich als seine Feindin ansieht, aber er hat sehr viele Feinde. Warum sollte er
ausgerechnet hinter mir her sein, die ich ihm nicht gefährlich werden kann und für seine Ziele nicht die geringste Bedeutung
habe?«
»Terroristen handeln nicht immer rational.«
»Ondomar schon. Er ist klug, und was er tut, plant er sorgfältig. Nein, ich bin sicher, er steckt nicht dahinter.«
»Aber wer dann?«
»Ich weiß es nicht. Irgendein Geheimdienst vielleicht. Sie müssten doch besser wissen als ich, wer da in Frage kommt.«
Zohlert lächelte, und Marie stellte fest, dass sie ihn mochte. Er wirkte freundlich und aufgeschlossen, jedenfalls überhaupt
nicht so, wie sie sich einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes vorgestellt hatte. »Da gibt es in der Tat eine Menge Möglichkeiten.
In Deutschland laufen heutzutage mehr Spione herum als zu Zeiten des Kalten Krieges. Die sind zwar normalerweise hinter Industriegeheimnissen
her, aber wenn dieses Pheromon so wirkt, wie Sie es beschrieben haben, dann hätte wohl jeder Staat der Dritten Welt das Geheimnis
gern für sich – und die meisten Industrienationen wären vermutlich auch nicht abgeneigt. Ich fürchte, es gibt so viele Geheimdienste,
dass wir praktisch gar nichts wissen. Aber Sie haben vorhin gesagt, Sie glaubten, das Pheromon wäre bei dem Vorfall in Bagdad
eingesetzt worden.«
»Das stimmt. Ich glaube nicht, dass Ondomar
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