Der Duft
einer – zum Glück nur leichten – Schädelfraktur im Krankenhaus, Konstantin wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt und
von Copeland fristlos entlassen, sie selbst weit davon entfernt, jemals Partnerin zu werden.
»Ich weiß«, sagte sie. »Ich übernehme die volle Verantwortung für das, was da passiert ist.«
»Ach ja?« Will erhob sich. Offenbar hielt er es ebenfalls nicht auf seinem Stuhl aus. »Du übernimmst die Verantwortung? So
einfach geht das leider nicht! Die Verantwortung für den Kunden Oppenheim AG und alles, was damit zusammenhängt, habe nämlich
ich! Und was, bitte, soll ich Bob Copeland sagen? Wie soll ich ihm erklären, dass die Projektleiterin, die ich eingesetzt
habe, sich nicht um ihr Team gekümmert hat und im entscheidenden Moment nicht da war, um die Katastrophe zu verhindern? Was
genau war noch mal der Grund, weshalb du nicht pünktlich zur Arbeit erschienen bist?«
Marie schluckte. Er wusste es natürlich bereits. »Ich … ich hatte verschlafen. Ich war am Abend zuvor mit Dr. Scorpa essen
und habe wohl zu viel Wein getrunken, und …«
»Na, das ist doch mal eine wirklich stichhaltige Begründung! Tut mir leid, Bob, aber meine Projektleiterin hat abends zuvor
mit dem Geschäftsführer des Klienten einen über den Durst getrunken und musste erstmal ihren Rausch ausschlafen!« Will warf
die Arme in die Luft. »Himmel, jetzt fang nicht auch noch an zu heulen! Du bist Projektleiterin bei Copeland & Company,
verdammt!«
|95| Marie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. »Ich kann es doch auch nicht mehr ändern!«, rief sie mit zitternder Stimme. »Es
ist nun mal geschehen. Sag mir, was ich machen soll. Von mir aus schmeiß mich raus. Aber mach mir keine Vorwürfe, das kann
ich schon alleine!«
Will sah sie einen Moment lang stumm an. Dann nickte er. »Tut mir leid. Du hast recht. Wir müssen uns auf die Lösung konzentrieren.«
»Hast … hast du schon mit Borlandt gesprochen?«
Will nickte. »Er war außer sich.«
Marie atmete tief ein und aus. »Das Projekt ist beendet, oder?«
»Er will noch mal mit uns reden. Morgen früh. Er will wissen, was passiert ist und warum. Ich habe wirklich keine Ahnung,
was ich ihm sagen soll.«
Marie fühlte sich plötzlich seltsam leicht. Ihre Knie wurden weich. Sie stützte sich an einer Stuhllehne ab.
»Mach du mir jetzt nicht auch noch schlapp, Mädchen«, sagte Will, aber sein Tonfall war nicht verletzend, sondern sorgenvoll.
Er schenkte ihr ein Glas Mineralwasser ein.
Marie setzte sich und trank einen Schluck.
Will nahm sich ebenfalls einen Stuhl. »Wir haben ein verdammt riesiges Problem«, sagte er. »Ein Problem, wie es bei Copeland
& Company noch nie vorgekommen ist. Aber wir werden es lösen!«
Daniel Borlandt empfing sie mit ernstem Gesicht, aber er war höflich und begrüßte Marie mit einem festen Händedruck. »Wie
geht es Ihnen, Frau Escher?« An seiner Stimme war zu erkennen, dass die Frage nicht nur als Begrüßungsfloskel gemeint war.
»Es … ich bin okay«, sagte Marie, die mit so einer Frage nicht gerechnet hatte. »Herr Borlandt, es tut mir schrecklich leid.
Ich … ich weiß wirklich nicht …«
|96| »Setzen Sie sich erst mal, und erzählen Sie mir ganz in Ruhe, was passiert ist.«
Obwohl es nicht viel gab, was Marie erzählen konnte, hörte der Oppenheim-Vorstandschef ihr aufmerksam zu. Sie verschwieg nicht,
dass sie verschlafen hatte und zu spät in die Firma gekommen war. Als sie geendet hatte, sah er sie eine Weile nachdenklich
an. »Das ist eine sehr bedauerliche Angelegenheit.«
»Wenn du es möchtest, brechen wir das Projekt natürlich ab«, sagte Will. »Copeland & Partner wird die bisherige
Arbeit in jedem Fall nicht berechnen.«
Borlandt schüttelte langsam den Kopf. »Nein. So leicht will ich es unserem Freund Scorpa nicht machen. Es ist wirklich Pech,
dass die Geschichte mit der Prügelei ausgerechnet jetzt passiert ist. Aber das ändert nichts daran, dass ich wissen will,
was genau bei Olfana eigentlich los ist. Will, ihr könnt sicher kurzfristig ein neues Team unter der Leitung von Frau Escher
zusammenstellen?«
Marie war überrascht. Sie hatte fest damit gerechnet, Borlandt würde das Projekt für beendet erklären. Dass er Will nun ausdrücklich
nach einem Team unter ihrer Leitung fragte, bedeutete, dass er ihr eine zweite Chance gab. Sie war sich nicht sicher, womit
sie die verdient hatte, aber sie würde versuchen, das Beste daraus
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