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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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können von Glück sagen, dass ich überhaupt hier bin.«
    Marie sah missmutig auf die Plastiktüte, die er neben seiner Laptoptasche und einem nagelneuen Trolley mit sich schleppte.
     Sie war sich nicht sicher, ob man wirklich von Glück sprechen konnte, dass er jetzt hier war. Sie lächelte trotzdem und ergriff
     seine ausgestreckte Hand. »Marie Escher.«
    »Hab ich mir gedacht.« Er grinste. »Worum geht es hier eigentlich?«
    »Hat Will dir keine Unterlagen gegeben?«
    Rafael legte die Plastiktüte auf den Tisch. »Doch, aber ich bin noch nicht dazu gekommen, reinzugucken.« Er öffnete seine
     Laptoptasche, die von zerknickten, teilweise kaffeebefleckten Papieren überquoll. Er kramte einen karierten Block und einen
     Kugelschreiber heraus. »Also«, sagte er. »Warum bin ich hier?«
    Marie hatte gehofft, Will hätte ihm wenigstens ein bisschen über die Hintergründe des Projekts erzählt. Andererseits war es
     vielleicht auch besser, wenn er nicht allzu viel wusste. »Du bist hier, weil … es gab einen … Unfall. Die |100| beiden bisherigen Teammitglieder, Rico Kemper und Konstantin Stavras, sind ausgefallen. Wir …«
    »Ich kenne Konstantin«, unterbrach Rafael sie. »Er hat mit mir zusammen in Köln studiert, wenn auch ein paar Semester über
     mir. Guter Typ. Was ist denn passiert?«
    »Das tut jetzt nichts zur Sache«, sagte Marie und ärgerte sich, dass die Aussage nicht wirklich beiläufig klang.
    Er runzelte die Stirn. »Wenn du meinst …«
    »Also, wir sind hier, um das Zukunftspotenzial dieser Firma zu bewerten«, sagte Marie.
    »Und die Firma heißt noch mal wie?«
    Marie seufzte. »Olfana. Die Firma heißt Olfana.«
    »Interessanter Name.«
    »Das kommt von ›olfaktorisches System‹, dem Fachausdruck für den Geruchssinn.«
    »Aha. Machen die hier Parfüm, oder was?«
    Marie seufzte erneut. Sie erzählte, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatten. Das Abendessen mit Scorpa erwähnte sie nicht.
    Rafael machte sich kaum Notizen. Stattdessen kritzelte er auf seinem Block herum. Er blickte sie zwischendurch immer wieder
     an und lächelte, aber er schien sich doch weniger für ihre Worte zu interessieren als für das Wesen, das langsam am Rand des
     Blattes Gestalt annahm: ein deformierter, halb menschlicher Kopf, spitze Ohren und scharfe Eckzähne, die aus dem schiefen
     Mund ragten – irgendein Ungeheuer aus einer albernen Fantasygeschichte. Marie musste sich eingestehen, dass die Zeichnung
     sehr gut war, was ihre Irritation nur noch steigerte. »Würdest du mir bitte zuhören!«
    Er blickte auf und lächelte entwaffnend.«Ich höre dir doch zu! Du sagtest gerade, dieser Dr. Borg sei wieder nach Afrika geflogen.
     Vielleicht sollten wir uns das Feldlabor mal anschauen. Ich war noch nie in Afrika.«
    |101| Marie sah ihn entgeistert an. »Du bist hier doch nicht im Urlaub!«
    Rafael war nicht im Mindesten irritiert. »Schon klar. Aber deshalb darf man ja trotzdem unterwegs aus dem Fenster gucken,
     oder? Das ist doch der Grund, weshalb ich bei Copeland angefangen habe: Ich will neue Dinge kennenlernen!«
    Ihr fiel ein, dass Will erwähnt hatte, Rafael sei vorzeitig von seinem letzten Projekt freigestellt worden. Sie konnte sich
     nicht mehr an seine genauen Worte erinnern, aber ein bisschen hatte es so geklungen, als habe Rafael seine Aufgabe dort nicht
     bewältigt. Allmählich wurde ihr bewusst, warum: Er war einfach noch nicht erwachsen. Er sah Unternehmensberatung offenbar
     als großes Spiel an, oder als eine Art Bildungsurlaub. Und ausgerechnet so jemanden schickten sie ihr als Unterstützung für
     ein absolut kritisches Projekt. Das war einfach unprofessionell!
    Marie zählte innerlich bis zehn, bis ihre Zornaufwallung soweit abgeklungen war, dass sie wieder ruhig sprechen konnte. »Rafael,
     wir sind hier, weil wir einen Auftrag zu erledigen haben!«
    Er sah sie unschuldig an. »Ich hatte auch nicht vor, zum Vergnügen nach Afrika zu fliegen. Wenn ich deine bisherigen Ausführungen
     richtig verstanden habe, dann liegt der Schlüssel zum Zukunftspotenzial von Olfana in Afrika.«
    Marie runzelte die Stirn. »Ich habe nichts dergleichen gesagt.«
    »Nein, aber es ist logisch.«
    »Wieso?«
    »Weil wir nicht wissen, was in Afrika wirklich passiert.«
    Marie musste abermals ihre Irritation bekämpfen. »Was hat das damit zu tun?«
    »Ganz einfach. Wenn ich es richtig sehe, ist dieses Feldlabor ganz schön teuer. Warum leistet sich so eine Firma |102| wie Olfana das? Dafür gibt es zwei

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