Der Duft
mögliche Gründe: Entweder brauchen sie es wirklich, dann ist es für das Zukunftspotenzial
der Firma von elementarer Bedeutung. Oder sie brauchen es nicht wirklich. Dann verschwenden sie dort ihr Geld, und die Firma
hat höchstwahrscheinlich überhaupt keine Zukunft. Aber irgendwie glaube ich das nicht.«
»Rafael! Wir sind keine Priester! Wir werden nicht dafür bezahlt, Dinge zu glauben. Es zählt nur, was wir wissen!«
»Ja, ich weiß. Trotzdem. Warum sollte jemand ein Labor in Afrika betreiben, wenn er es nicht wirklich braucht?«
Marie hatte bereits länger darüber nachgedacht. »Als Ablenkungsmanöver vielleicht. Afrika ist weit weg. Es ist schwer, nachzuprüfen,
was dort vor sich geht. Scorpa kann immer behaupten, dass die dort unten kurz vor einem Durchbruch stehen.«
»Sagtest du nicht auch etwas von EU-Subventionen?«
»Die hat Scorpa erwähnt, ja. Aber ich habe in den Unterlagen keine Hinweise darauf gefunden, dass tatsächlich jemals EU-Gelder
geflossen sind.«
»Das muss ja nicht heißen, dass da nicht trotzdem etwas dran ist. Du weißt doch, wie langsam die Eurokraten in Brüssel sind.«
»Also gut. Die erste Aufgabe, die du erledigen wirst, ist, herauszufinden, welche EU-Förderprogramme es gibt und inwiefern
Olfana davon profitieren könnte.«
»Alles klar!« Rafael stand auf und packte seine Sachen zusammen.
Marie sah ihn verwundert an. »Was tust du?«
»Es ist gleich acht. Ich habe heute schon drei Überstunden gemacht. Ich finde, das reicht.«
Sie glaubte, sich verhört zu haben. Überstunden? Ein solches Wort gab es in der Beratersprache eigentlich nicht. Aber sie
sparte es sich, ihm das zu erklären. War nicht sie |103| selbst es gewesen, die sich erst vor Kurzem über Ricos übertriebenen Arbeitseinsatz mokiert hatte? Außerdem hatte sie auch
keine große Lust mehr, heute noch lange weiterzumachen. Erst einmal musste sie verdauen, dass sie als neues Teammitglied einen
absoluten Anfänger bekommen hatte, der noch dazu mehr als hemdsärmelig an die Arbeit ging.
Nach dem Joggen machte Marie noch ein paar Entspannungsübungen, doch die innere Unruhe wollte nicht weichen. Kein Wunder nach
den traumatischen Erlebnissen der letzten Tage. Wie sehr hätte sie jetzt Arnes beschwichtigende Worte gebraucht, seine Ruhe
und Gelassenheit. Zum wiederholten Mal fragte sie sich, ob sie ihn nicht anrufen sollte. Aber es erschien ihr einfach nicht
fair, ihn so zu benutzen. Sie musste allein mit der Situation klarkommen.
Endlich fiel sie in unruhigen Schlaf. Sie träumte von seltsamen, haarigen Kreaturen mit schiefen Mäulern und spitzen Zähnen,
die über sie herfielen.
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|104| 11.
Mitten in der Nacht schreckte Marie aus dem Schlaf. Einen Moment lang wusste sie nicht genau, wo sie war. Während ihre Orientierung
langsam zurückkehrte, verblasste die Erinnerung daran, weshalb sie aufgewacht war. Es hatte mit Rico zu tun und mit ihrer
Arbeit. Etwas war ihr seltsam vorgekommen, als sie heute in den Teamraum zurückgekehrt war. Doch so sehr sie sich anstrengte,
ihr fiel nicht mehr ein, was es gewesen sein könnte.
Am Morgen fühlte sie sich unausgeschlafen und hatte Kopfschmerzen. Rafaels gute Laune beim Frühstück ging ihr auf die Nerven.
Er plauderte fröhlich über das Buch, das er gerade las – irgendein Quatsch über ein Computersystem mit eigenem Willen, das
die Menschheit bedrohte. Es passte zu ihm, dass er Science-Fiction-Romane las, statt sich mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen.
»Was ist eigentlich los mit dir? Hast du schlecht geschlafen?«
Marie verzog das Gesicht. Offenbar besaß Rafael dasselbe diplomatische Geschick wie Rico. »Ja, hab ich.«
»Entschuldige. Ich gehe dir auf den Geist mit meinem Geplapper, stimmt’s?«
»Nein, nein. Ich habe nur Kopfschmerzen.«
»Du kannst ruhig ehrlich zu mir sein.«
»Also gut, du gehst mir auf den Geist mit deinem Geplapper. Zufrieden?«
Rafael grinste breit. »Na bitte! Ich wusste doch, du kannst aus dir herauskommen, wenn du willst!«
Marie starrte ihn an. Was sollte das denn bedeuten? Hielt er sie etwa für verstockt? Sie erwiderte nichts und wandte |105| sich wieder ihrem Früchtemüsli zu. Den Rest des Frühstücks verbrachten sie schweigend.
Auf dem Flur zum Teamraum begegneten sie Scorpa.
Marie erstarrte, als sie ihn aus seinem Büro kommen sah. »Gu… guten Morgen, Dr. Scorpa«, brachte sie hervor.
Sein Gesicht verfinsterte sich. »Wie ich sehe, ist Herr Borlandt der Meinung,
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