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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Mädchen, das die Lippen aufeinanderpresst.
    Das Gesicht der Mutter verzerrt sich zu einer schrecklichen Fratze. Sie sieht plötzlich genau so aus wie die böse Hexe. »Komm
     mir bloß nicht zu nahe!«, sagt sie mit zitternder Stimme. »Du steckst mit ihnen unter einer Decke, das weiß ich genau!«
    |108|
»Bitte gib mir das Messer!« Die Stimme des Vaters ist sanft, so sanft, wie er immer mit dem kleinen Mädchen spricht, wenn
     sie weint. »Bitte, Liebling!«
    Die Mutter steht stumm da. Sie zittert noch mehr.
    Plötzlich macht der Vater einen schnellen Schritt vor und packt ihre Handgelenke. Sie schreit auf. Er entwindet ihr das Messer
     und wirft es in die Spüle. Dann umklammert er sie mit beiden Armen und presst sie an sich.
    Einen Moment kämpft sie gegen ihn an, doch dann erlahmt ihre Gegenwehr. Nun macht die Mutter seltsame stöhnende Geräusche.
     Ihr ganzer Körper zittert in den Armen des Vaters. Sie schluchzt ganz laut.
    Eine ganze Weile stehen die drei so da, der Vater, die Mutter in seinen Armen und das Mädchen, stumme Zeugin einer Szene,
     die sie nicht verstehen kann.
    Endlich wird das Schluchzen leiser, verstummt schließlich. Die Mutter hebt den Kopf. Ihre Augen werden ganz groß. »Marie!«
    Der Vater dreht den Kopf zu ihr. »O mein Gott!«
    Tränen schießen in die Augen des kleinen Mädchens. Es weiß: Es sollte nicht sehen, was es gesehen hat.
    »Kleines!«, sagt ihr Vater. »Wir … wir haben nur Spaß gemacht, Mami und ich. Wir haben nur gespielt!«
    Das Mädchen nickt. Sie dreht sich um und geht zurück ins Wohnzimmer. Sie ist noch zu klein, um die Erwachsenen zu verstehen.
     Aber sie ist nicht zu klein, den Unterschied zwischen Spiel und Ernst zu erkennen.
     
    »Marie?« Rafael machte ein besorgtes Gesicht.
    »Entschuldige, Rafael. Ich …« Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie an genau derselben Stelle stand, an der Konstantin die
     blutbefleckte Karaffe hatte fallen lassen. Es war, als läge ein Fluch über diesem Ort, eine mystische Macht, die Zorn und
     Aggressivität heraufbeschwor.
    |109| »Was ist hier eigentlich los?«, wollte Rafael wissen.
    Marie antwortete nicht. Ihr Blick fiel auf den leeren Schreibtisch, auf dem Ricos blutender Kopf gelegen hatte, und plötzlich
     wusste sie, weswegen sie in der Nacht aufgeschreckt war. »Der Umschlag!«, sagte sie.
    »Was?«
    »Da war ein brauner Umschlag. Hast du ihn weggenommen?«
    Rafael blinzelte irritiert. »Ich … nein, ich glaube nicht.« Er begann, den Stapel von Papieren auf seinem Schreibtisch zu
     durchsuchen.
    Marie sah sich um. Sie erinnerte sich ganz genau, dass der Umschlag dort gelegen hatte. »An die Copeland-Berater« hatte in
     krakeliger Handschrift darauf gestanden. Doch der Umschlag war nirgends zu sehen. Jetzt war sie sich sicher, dass er schon
     gestern, als sie den Teamraum erneut betreten hatte, nicht mehr da gewesen war.
    Sie rief Scorpas Sekretärin an. »Frau Meerbusch, am Dienstag lag ein brauner Umschlag auf dem Tisch, an dem mein Kollege gearbeitet
     hat, bevor er … Sie sagten doch, der Teamraum sei gründlich gereinigt worden. Kann es sein, dass jemand den Umschlag weggenommen
     hat?«
    Meerbusch beteuerte, alle Unterlagen seien unangetastet geblieben und nichts sei aus dem Raum entfernt worden. Sie selbst
     habe bei der Reinigung mitgeholfen. Sie könne sich allerdings nicht erinnern, ob dort ein brauner Umschlag gelegen habe. »Was
     war denn drin?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe den Inhalt nicht gesehen. Vielleicht war es nicht wichtig. Adressiert war er jedenfalls ›An die
     Copeland-Berater‹.«
    »Hmm. Seltsam. Von mir war er nicht und von Dr. Scorpa sicher auch nicht, das wüsste ich. Tut mir leid, aber ich kann Ihnen
     da nicht weiterhelfen.«
    »Schon gut, vielen Dank. Auf Wiederhören.«
    |110| Rafael sah sie ernst an, und Marie stellte überrascht fest, dass seine braunen Augen eine fast schon beängstigende Intensität
     besitzen konnten. »Würdest du mir vielleicht endlich mal verraten, was hier los ist?«
    »Also schön. Es gab einen Streit. Konstantin hat Rico Kemper angegriffen und schwer verletzt.«
    »Konstantin Stavras? Das glaube ich nicht!«
    »Ich habe es auch nicht geglaubt. Aber es war so.«
    »Warst du dabei?«
    »Nein. Aber ich habe den Streit gehört. Als ich in den Raum kam, lag Rico bewusstlos und mit einer Platzwunde am Kopf dort
     über dem Tisch. Konstantin stand hier drüben und hielt eine blutige Glaskaraffe in der Hand.«
    »Hat er die Tat

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