Der Duft
Wunsch, sich zu entspannen und endlich zu schlafen, und der
Sehnsucht, seine Hand möge sich über ihre Brust legen und das Feuer in ihr weiter anheizen. Schon lange hatte sie nicht mehr
eine solche Erregung verspürt.
Doch Rafael machte keine Anstalten, mehr zu tun, als sie mit der Nähe seines Körpers in die Verzweiflung zu treiben.
Marie war ihm dankbar. Sie hatte nie etwas von One-Night-Stands und erotischen Abenteuern gehalten und war immer stolz auf
ihre Selbstbeherrschung gewesen.
Sie hatte sich damals bewusst für ihr Verhältnis zu Arne entschieden – das Ergebnis einer reiflichen Überlegung, keine spontane
Aktion, die sie womöglich später bereut hätte. Ebenso bewusst hatte sie dem Ganzen ein Ende gesetzt, als ihr klar geworden
war, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten.
Nie hatte sie die Selbstkontrolle verloren. Und doch war sie jetzt aus irgendeinem dummen Grund enttäuscht. Sie lag noch lange
wach und versuchte, diesen seltsamen Widerspruch zu lösen.
Geweckt wurde sie von frischem Kaffeeduft. Rafael stand vor ihr, ein Tablett mit Früchten, Rührei mit Speckstreifen und Maisfladen
sowie zwei Bechern Kaffee in der Hand. Er grinste. »Guten Morgen!«
In exakt der Sekunde, als er sich bückte, um das Tablett aufs Bett zu stellen, wurde Marie klar, dass sie sich bis über beide
Ohren in Rafael Grendel verliebt hatte. Verknallt wie ein dummes Schulmädchen, in einen Kollegen, einen Mann, der dazu noch
ein paar Jahre jünger war als sie! Schon rein statistisch war das ein Problem, denn bei den weitaus meisten Paaren war der
Mann älter als die Frau. Mathematisch betrachtet war es also äußerst unwahrscheinlich, |203| dass Rafael ihre Gefühle erwidern würde. Und selbst wenn – unter außergewöhnlichen Umständen entstandene Beziehungen waren
selten von Dauer. Besser, sie schlug sich die Sache sofort aus dem Kopf.
Sie bemühte sich um ein verkrampftes Lächeln. »Guten Morgen!«
Das Frühstück verlief schweigend. Marie war es nur recht.
Danach stellte ihnen Joan Ridley einen Mann namens Kobeke vor, der als Ranger und Touristenführer im Park arbeitete und sie
zur Polizeistation in Kisoro begleiten würde. Sein tiefschwarzes Gesicht war faltig, und sein gekräuseltes Haar zeigte Spuren
von Grau, doch sein Körper war muskulös und drahtig. Er trug nur kakifarbene Bermudashorts und eine Machete an seinem Gürtel.
Sie bedankten sich bei Ridley für die Hilfe.
»Tun Sie mir nur den Gefallen und sorgen Sie dafür, dass der Mistkerl hinter Gitter kommt«, sagte Ridley. »Am liebsten würde
ich selbst mitkommen und zusehen, wie das Schwein verhaftet wird. Aber nach all der Aufregung gestern ist es vielleicht besser,
wenn ich hierbleibe und die Gorillas im Auge behalte, besonders Gruppe Vier, der Sie gestern begegnet sind. Die Tiere sind
sicher nervös. Bitte informieren Sie mich über den Stand der Dinge. Hier in Afrika können solche Verfahren manchmal lange
dauern und einen unerwarteten Verlauf nehmen.« Sie musste nicht weiter erklären, was sie damit meinte.
Marie versprach, sie per Funk von der Polizeistation aus zu benachrichtigen. Dann folgten sie Kobeke in den Wald.
Ihr Führer war schweigsam und wies sie nur gelegentlich in holprigem Englisch auf schwierige Stellen im Gelände hin. Auch
Marie und Rafael redeten wenig. Kobeke bewegte sich leichtfüßig und gewandt über die steilen Hänge und musste immer wieder
warten, bis Marie und Rafael keuchend hinter ihm her gestolpert kamen.
|204| Einmal hörten sie das Knattern eines Hubschraubers in der Nähe und sahen sich angstvoll um, doch das Geräusch entfernte sich
bald wieder. Kobeke warf ihnen nur einen merkwürdigen Blick zu und forderte sie auf, ihm zu folgen.
Nach etwa zwei Stunden erreichten sie eine Hütte am Fuß des Berges. Davor parkten ein rostzerfressener grauer Bus und ein
dunkelgrüner Jeep.
Zwei Männer in Uniform stiegen aus dem Jeep. Sie trugen Pistolen und Handschellen an ihren Gürteln und das Staatswappen Ugandas
auf der Brust – ein langer Schild mit Wasser, Sonne und Trommel, gesäumt von einer Gazelle und einem Kranich. Kobeke redete
ein paar Worte in der Landessprache mit ihnen. Die beiden nickten.
Einer der Polizisten wandte sich an Marie. »In the name of the Government of the Republic of Uganda, you are arrested for
violation of the law for wildlife protection.«
Marie hielt es zuerst für einen Scherz, dann erschrak sie. Verhaftet? Wegen Verletzung
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