Der Dunkle Code
Kabeln unter der Theke hervor.
»Schau mal, ob du hier das passende findest. Andere haben wir nicht.«
Aaro wühlte aus den Kabelspaghetti ein Firewire-Kabel heraus, bedankte sich höflich und verzog sich mit Jaakko an einen freien PC. In den Kabinen nebenan telefonierten Ausländer, die hier wohnten, und Touristen aus anderen Zeitzonen lautstark in den unfassbarsten Sprachen mit der Heimat. Ebenso lebhaft hackten junge Backpacker in die Tasten der abgenutzten Computer. Aaro legte sein Handy auf den schmalen Tisch. Alle drei Minuten blinkte das Display und es erschien das Unheil verkündende Wort »WECKMAN«. Unterwegs hatte er schon die SMS gelesen, in der sie streng aufgefordert wurden, so schnell wie möglich in die Jugendherberge zurückzukehren – am liebsten per Taxi auf Frau Weckmans Kosten. Obwohl Jaakko ihn dazu überreden wollte, lehnte Aaro das Taxi ab, aber er hatte das den Lehrerinnen bislang noch nicht mitgeteilt.
»Sollten wir nicht wenigstens Bescheid sagen, dass wir noch leben?«, schlug Jaakko vor. »Sonst hetzt uns die Weckman die Carabinieri auf den Hals.«
»Okay, du kannst ihr ja was Allgemeines simsen«, meinte Aaro, während er das Kabel in den Rechner steckte.
Jaakko führte den Befehl gewissenhaft aus, er schrieb: WIR SIND EIN BISSCHEN AUF ACHSE, KOMMEN SOBALD ES GEHT. JAAKKO UND AARO.
Gianni Calabrese, der diensthabende Beamte bei der nationalen italienischen Kriminalpolizei, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Über dem alten Schreibtisch brüllte der Fernseher, der immer und immer wieder denselben Werbetrailer für das kommende Derby zwischen AS Rom und Lazio zeigte.
Calabrese sah auf die Uhr: gleich eins. Der Kellner aus der Bar Marco nebenan hatte ihm noch immer nicht seinen Espresso gebracht, obwohl er immer um diese Zeit einen bestellte.
Calabrese streckte die Hand nach dem Telefon aus, um Marco an den Kaffee zu erinnern. In dem Moment klingelte der Apparat und der Beamte erschrak. Die Nummer dieses Anschlusses war nicht öffentlich bekannt, normalerweise riefen hier nur Polizeistellen an, wenn es um Kriminaldelikte ging, die den gesamten Staat betrafen.
»Pronto« ,sagte Calabrese in den Hörer.
Am anderen Ende der Leitung war es einen Augenblick still. Dann diktierte eine tiefe Männerstimme langsam eine Mitteilung, absolut monoton, als käme der Text von einem digitalen Sprechsimulator: »Im Schließfach Nummer 218 auf der Westseite der Stazione Termini liegt ein Brief. Darin geht es um die Pinakothek in den Vatikanischen Museen. «
Sonst nichts. Calabrese warf einen Blick auf das Computerprogramm, das für die Rückverfolgung der Telefonate zuständig war: Anruf aus dem Innenstadtbereich von Rom, Prepaid-Anschluss. Calabrese drückte die Kurzwahltaste, die ihn sofort mit dem Handy von Leutnant Marcello Bari verband.
Mit vor Anspannung zitternden Händen vergrößerte Aaro die Aufnahme von Lauras Kamera auf dem Computerbildschirm. Er skippte eine Weile, dann stoppte er die Aufnahme bei dem Mann mit dem hellen Mantel.
»Das ist er«, hauchte Aaro und zeigte auf den Mann. Jaakko hielt sein Gesicht so dicht an den Bildschirm, dass die Scheibe beschlug. »Sandfarbener Trenchcoat, viel zu groß … weil er darunter den Kanister mit der Säure versteckt. Halbglatze, schwarze Ringe unter den Augen.«
Die Aufnahme wirkte, als hätte Laura die Kamera versehentlich laufen lassen.
»Damit kann man ihn identifizieren«, sagte Jaakko und warf einen ängstlichen Blick zur Theke, als befürchtete er, das Mädchen könnte sie jeden Moment unterbrechen.
»Du hast recht. Wir müssen das Band zur Polizei bringen. Womöglich kommen sie den Tätern damit auf die Spur«, sagte Aaro und ließ die Aufnahme weiterlaufen.
Er schloss den Kopfhörer seines MP3-Players an die Kamera an und hörte eine Weile zu. Das Stimmengewirr der Menschenmenge, im Hintergrund Rufe in amerikanischem Englisch, dann sagt Laura etwas über die Hitze, und dann, als der Mann im Trenchcoat den Ärmel vor den Mund hielt, hörte man ziemlich deutlich einen italienischen Satz.
»Wir haben seine Stimme«, flüsterte Aaro aufgeregt. Er spulte zurück und spitzte die Ohren, um zu verstehen, was der Mann sagte. Er wollte notieren, was er hörte, aber da er kein Italienisch konnte, klappte das nicht. Er nahm den Satz jedoch mit seinem MP3-Player auf, ging zu dem Mädchen mit den Locken und fragte, ob sie verstehe, was da gesagt wurde.
»Ja, ganz gut«, antwortete sie mit ziemlich starkem Akzent in ihrem
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