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Der Dunkle Code

Der Dunkle Code

Titel: Der Dunkle Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Garten der alten Villa am Rande des Dorfes Faleria ein. Die Zikaden sangen in den Bäumen, hin und wieder hörte man das gereizte Maunzen eines Katers. Achim konnte Katzen nicht leiden, er mochte nur Hunde. Eigentlich waren ihm Hunde sogar sympathischer als Menschen.
    Er kniff die Augen zusammen, als er ein besonders hohes Miauen hörte. Das ganze Dorf war voller dürrer Katzen mit ausgebleichtem Fell. Er verstand nicht, wovon sie lebten. Wahrscheinlich gaben die weichherzigen Italiener ihnen etwas zu fressen. Achim spuckte gegen die Platane, die in einer Ecke des Grundstücks stand. Dann ging er zur nächsten Ecke. Damit hatte er wieder eine Runde hinter sich gebracht. Alle halbe Stunde musste er in den Garten der Villa Mariluce gehen, auch wenn es keine akuten Anzeichen von Gefahr gab. Er konnte sich keinen sorgfältigeren und genaueren Boss vorstellen als Dietrich Gruber.
    Er sah zum Balkon im ersten Stock hinauf. Lorenzo und Giuliano hatten wieder die Glastür ihres Schlafzimmers offen gelassen, obwohl Gruber es ihnen untersagt hatte. Achim hasste solche Ungenauigkeiten. Er würde dem Chef Bescheid sagen müssen.
     
    Im Keller der Villa saß ein grauhaariger Mann unter einer hellen Neonröhre. Dietrich Gruber starrte auf das Resultat der chemischen Konsistenzanalyse. Vor ihm auf dem Fußboden war grobes Papier ausgebreitet, darauf lag das Meisterwerk von Caravaggio, mit der Bildseite nach unten. Daneben stand ein Mikroskop.
    Gruber rieb sich die Augen, er hatte die ganze Nacht gearbeitet. Die Analyse ergab, dass das Barockgenie mehrmals seine Meinung geändert hatte: Auf dem Bild waren ein halbes Dutzend Ölfarbschichten zu identifizieren. Vor allem am Gesicht Christi hatte der Künstler jede Menge Veränderungen vorgenommen. Gruber wusste, dass es normal war, auf alten Gemälden mehrere Farbschichten zu entdecken, oft war ein Bild sogar über ein völlig anderes Motiv gemalt worden. Aber an dieser Arbeit hier stimmte etwas nicht. Und das wiederum sagte ihm, dass er auf der richtigen Spur war.
    Er wählte aus seinem Werkzeug das digitale Stärkemessgerät und maß die Dicke der Leinwand. Ganz richtig. Alles wies darauf hin, dass auf dem Bild mehr als nur sechs verschiedene Ölfarbschichten aufgetragen waren: Hier lagen außerdem zwei Leinwände übereinander!
    Achim erschien in der Kellertür, das Revolverhalfter hing über seiner linken Schulter. »Boss, die Balkontür im ersten Stock …«, fing er an, aber der grauhaarige Mann unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
    Dietrich Gruber nahm ein Skalpell, schob die Klinge exakt zwischen die beiden Stoffbahnen und begann, die Leinwände voneinander zu trennen. Sie waren nur an den Rändern miteinander verklebt. Nach einer halben Stunde lagen zwei Leinwandrollen vor ihm: Die eine zeigte das Meisterwerk von Caravaggio, die andere war wesentlich neuer und Gruber achtete beim Zusammenrollen darauf, dass Achim nichts von der Bildseite sah.
    »Sie haben nicht geantwortet«, sagte Achim auf Deutsch und schaute auf die Uhr.
    »Sie haben Zeit bis um elf«, erwiderte Gruber. »Und wir brauchen auch ein bisschen Schlaf.«
    »Das waren also zwei Gemälde?«, fragte Achim.
    »So ist es«, gab Gruber zurück und legte beide Rollen in den Tresor. »Aber der Caravaggio ist wertvoller.«
    »Glaubst du, sie werden zahlen, Boss?«
    »Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel«, sagte Gruber und zog sich in seine Schlafnische neben dem Tresor zurück.
    Allerdings wusste er, dass er keinen Schlaf finden würde. Das Gemälde von Caravaggio barg ein Geheimnis – so wie er vermutet hatte. Und niemand außer ihm wusste davon. Die Polizei glaubte, das Tatmotiv sei Raub und Erpressung, niemand käme auf die Idee, dass er sich für das eigentliche Gemälde nicht im Geringsten interessierte.

11
    Im großen Konferenzraum des Palazzo Quirinale verdeckte eine Leinwand die uralte, verzierte Stofftapete. Leutnant Marcello Bari hätte gern die Jagdmotive bewundert, aber das war jetzt leider unmöglich. Die Untersuchungskommission war in den Räumen des Innenministeriums einberufen worden. Die italienische Regierung wollte zeigen, dass sie den Fall sehr ernst nahm. Niemand wollte, dass sich so etwas wie die Munch-Diebstähle in Oslo oder das Verschwinden der Saliera von Cellini in Wien wiederholte. Der Caravaggio musste so schnell wie möglich gefunden werden.
    Kanzleichef Romano Simonis nickte seiner Sekretärin zu, die das Computerbild von der Grablegung Christi auf die Leinwand projizierte. Man

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