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Der Dunkle Code

Der Dunkle Code

Titel: Der Dunkle Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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der innerhalb weniger Monate kräftiger und so etwas wie ein Mann geworden war.
    Essi verabschiedete sich und kündigte an, Aaro in zwei Tagen anzurufen. Am Sonntag würden sie sich wieder am Flughafen treffen.
    Aaro und Niko erreichten knapp den Bus in Richtung Salzburg. Als sie auf ihren Plätzen saßen, fragte Aaro seinen alten Kumpel: »Wo hast du dich eigentlich die halbe Stunde nach der Landung rumgetrieben?«
    Niko schaute auf die Spitzen seiner neuen Cowboystiefel und murmelte: »Ich hab gedacht, TRANSIT heißt Ausgang, und da habe ich mich ein bisschen verlaufen …«

18
    Aaro zog die Vorhänge im Gasthaus Grosch zur Seite und trat auf den Balkon. Der alte Gasthof mit dem Bräustüberl im Erdgeschoss schien direkt aus Grimms Märchen zu stammen, so wie das gesamte Dorf.
    An der Landschaft war auch nichts auszusetzen. Aaro hatte ein fantastisches Panorama vor sich, mit Blick auf den Fluss und die dahinter aufragenden Berge. Bleigraue Wolken lagen über dem bedrohlich wirkenden Alpenmassiv. Der Morgen war feucht und mild, ganz oben auf den Bergen leuchtete weiß der Schnee.
    Niko trat verschlafen neben Aaro. »Ob wir um die Zeit schon einen fahrbaren Untersatz kriegen?«
    Aaro blickte auf die Uhr. Es war sieben. »Die Autovermietungen machen bestimmt um acht auf.«
    Die Post öffnete allerdings erst um neun, das hatten sie schon am Vorabend nach der Ankunft überprüft. Und dann beschlossen, gleich am Morgen in der Nähe des Poste-restante-Schalters zu sein, für den Fall, dass Herr Weymann schon früh seinen Brief abholte.
    Nach einem schnellen, aber kräftigen Frühstück riefen sie mit freundlicher Hilfe des dicken Gasthofbesitzers bei der Autovermietung an. Das einzige Auto, das sie sich leisten konnten, war ein VW Lupo, eine Handtasche auf vier Rädern. Aber Aaro hatte beschlossen, dass sie an diesem Wochenende auch hin und wieder etwas essen mussten.
    Niko setzte sich ans Steuer und schob den Sitz nach hinten. Aaro bemerkte, dass sein Freund wesentlich mehr Muskeln hatte als früher. Auch sonst hatte er sich verändert, er war ruhiger und gelassener geworden. Früher hatte ein prächtiger Schnurrbart sein Gesicht geziert, elf Härchen auf jeder Seite, aber jetzt war davon keine Spur mehr zu sehen, auch nicht von dem Vokuhila-Schnitt. Aaro gab einen positiven Kommentar zu der Verwandlung ab, was Niko sichtlich schmeichelte. Er erzählte, die Veränderung komme vom Aikido, der japanischen Kampfsportart, die er inzwischen ernsthaft betrieb. Bei der Mission, die ihnen bevorstand, konnte eine gute körperliche Verfassung nicht schaden, dachte Aaro bei sich.
    »Wenn wir den Grauhaarigen verfolgen müssen, wird das mit der Kiste hier hart«, dachte Niko laut.
    »Wir gehen nicht mit Kraft, sondern mit Geschick und Verstand vor«, beruhigte ihn Aaro.
    Sie fuhren durch die Ortschaft zur Post. Bergstein lag am Ende einer Bergenge, im grünen Wilhertal. Rechts und links ragten Berghänge auf. In Talnähe waren sie bewaldet, weiter oben felsig und schroff. Der älteste Teil des Ortes stammte aus dem Mittelalter. Die reichlich verzierten Häuser hatten ausladende Dächer und die Fassaden waren kunstvoll bemalt. In der Ortsmitte stand eine Barockkirche. Der Fluss hatte ziemlich starke Strömung und floss über einige Stromschnellen. Er teilte die Ortschaft in zwei Hälften. Abgesehen von einigen Geschäftsgebäuden waren auch die Häuser des neueren Teils noch ziemlich alt, denn hier im tiefsten Bayern, dicht an der Grenze zu Österreich, waren im Krieg keine Bomben gefallen und darum auch nichts zerstört worden.
    Niko fand den Weg auf die andere Seite des Ortes innerhalb von zwei Minuten. Vollkommen verwandelt hatte er sich nicht, denn sein Gasfuß schien noch genauso schwer zu sein wie früher. Obwohl er zum ersten Mal im Ausland am Steuer saß, kommentierte er die Verkehrskultur und den Fahrzeugbestand wie der routinierteste Globetrotter. Aaros Gedanken hingegen kreisten um den Deutschen mit den grauen Haaren, den sie bald zu Gesicht bekommen würden. Die Frage war, wie sie dann weiter vorgehen sollten. Aaros Magen krampfte sich vor lauter Aufregung zusammen.
    Sie stellten das Auto auf dem Parkplatz vor Aldi ab und Aaro zog sich die Baseballmütze tief ins Gesicht, damit der Grauhaarige ihn nicht wiedererkannte.
    Die Landschaft war wie aus dem Bilderbuch, aber die Leute schienen nicht dazu zu passen. Sie wirkten verschlossen und schauten die beiden Jungen misstrauisch an. Aaro spürte die Blicke im Rücken. Wie

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