Der Dunkle Code
Dietrich Grubers Gedanken kehrten zu dem Code zurück, von dem sie sich in diesen Tagen normalerweise nie lösten, außer im tiefen Schlaf. Er warf sich die Wildlederjacke über und ging die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. An der Wand hing ein Farbfoto von einem Deutschen Schäferhund. Trudi war zehn lange Jahre seine treue Gefährtin gewesen. Nach dem Tod der Hündin im Jahr zuvor hatte er kein Tier mehr haben wollen.
Er nahm den Schlüssel aus dem Küchenschrank und verließ durch die hintere Glastür das Haus. Das Gebäude gegenüber am Hang war ein Lagerhaus, das mit seiner fensterlosen Fassade an eine kleine Festung erinnerte, denn man gelangte nur durch ein eisernes Tor in das aus Naturstein gemauerte Erdgeschoss. Der Anblick des massiven Baus löste ein schmales Lächeln bei Dietrich aus.
Er öffnete das Eisentor und klappte die Riegel zur Seite. Drinnen war es dunkel, feucht und modrig. Dietrich drehte den Lichtschalter, worauf eine verstaubte Deckenlampe anging und gedämpftes Licht verbreitete. Das gesamte Untergeschoss des Gebäudes stand voller Kleiderständer, Holzkisten, alter Möbel, Lagerregale mit Archivordnern aus Pappe. Dietrich trat vor einen Metallschrank und schloss ihn mit einem der Schlüssel an seinem großen Schlüsselbund auf.
Der Ausflug zur Siegfriedspitze war leider ein Fehlschlag gewesen. Hinter der Stahltür, die in den Felsen führte, hatte sich nichts weiter verborgen als ein Öllager – eine große Höhle, die irgendwann in den 1930er-Jahren in den Berg gehauen worden war. Dietrich hatte auf die unbewegte schwarze Fläche gestarrt und seine Enttäuschung schlucken müssen. Nichts als ein großes Becken voller Brennöl. Also waren sie wieder gegangen und hatten dabei so gut wie möglich ihre Spuren beseitigt.
Das Rätsel, das sein Vater entwickelt hatte, war noch immer nicht gelöst.
16186C152 423DHEG.
Dietrich wusste, dass er aus dem mythischen Namen PARZIFAL eine Art Zahlenspiel ableiten musste, das ihn zum Versteck des Goldes führen würde. Er hatte mehrmals versucht, mithilfe einer einfachen Buchstabe-Ziffer-Entsprechung Begriffe aus der germanischen Mythologie in Zahlen zu übersetzen, aber auf diesem Weg hatte sich nichts ergeben. Das Rätsel seines Vaters musste komplizierter sein.
Niko parkte den Lupo an einer Abzweigung der schmalen Gebirgsstraße, zweihundert Meter von der Villa entfernt, zu der der grauhaarige Mann abgebogen war.
Das Haus war hinter einer drei Meter hohen Fichtenhecke verborgen. Es war still hier, andere Wohnhäuser waren nicht in der Nähe. Das Auto stand weit genug weg, sodass man Niko und Aaro für gewöhnliche Alpentouristen halten konnte.
Auf dem steilen Hang, an dem die Villa lag, wuchsen dunkelgrüne Nadelbäume. Niko schloss den Wagen ab, dann schlüpften sie ins Gebüsch neben der Straße, das bis zu dem Haus und der Fichtenhecke hinaufreichte. In dessen Schutz würden sie unbemerkt in die Nähe der Villa gelangen. Die Gebirgsluft war herb, aber auch dünn, Aaro spürte das in der Lunge.
Langsam bewegten sie sich den Hang hinauf. Nach zwanzig Minuten standen sie oberhalb des Hauses im Schutz der Fichtenhecke. Von hier aus lag das Grundstück wie auf dem Präsentierteller vor ihnen. Nichts regte sich im Haus, der Mercedes-Geländewagen stand allein auf der Zufahrt.
Aaro ließ den Blick über Haus und Garten schweifen und prägte sich alles ein. Das Haus grenzte direkt an die Straße. Zwei nachträglich eingebaute Gaubenfenster zeigten zur Gartenseite, im Erdgeschoss schien sich ein großes Wohnzimmer zu befinden. Am Ende des Gartens stand ein fensterloses Gebäude am Hang, rechts zwischen diesem Gebäude und dem Haus gab es noch einen Holzschuppen.
Aaro nahm das Fernglas und setzte damit seine Beobachtungen fort. Mitten im Garten sah er eine schöne schmiedeeiserne Sonnenuhr, die mit einem Fabelwesen verziert war. Das ganze Haus samt Grundstück war seltsam still, gerade so, als hätte das alte Gebäude Niko und Aaro entdeckt, wie sie im Schutz der Fichtenäste kauerten, und sie böswillig ins Auge gefasst.
»Besonders wohl fühle ich mich hier nicht«, flüsterte Niko, als hätte er Aaros Gedanken gelesen.
»Hinter dem Dachfenster im Obergeschoss bewegt sich was«, sagte Aaro und setzte das Fernglas ab. »Es ist besser, wir warten ab, bis das Haus leer ist. Danach können wir uns etwas genauer umsehen.«
Niko sah ihn verblüfft an. »Und woher wissen wir, wann es leer ist? Ich meine, auch wenn wir den Grauschopf mit seinem
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