Der Dunkle Code
Alpen ab, die einen Hinweis auf den Gral oder auf Parzifal oder auf Wagner beinhalten konnten. Auch andere Begriffe aus der Mythologie waren denkbar: Siegfried, Tannhäuser, die Walküren, Arthur …
Moosbach, Asbach, Munderfing, Gilgenberg, Postalm, Hundstein. Die Namen sagten ihm nichts. Sollte der Name Parzifal auf etwas völlig anderes hinweisen? War der Name etwa gar nicht das Verbindungsglied, das zum Versteck des Goldes führte? Musste er sich doch auf die Gegend um Altaussee konzentrieren, wo die Nazis den bisherigen Informationen nach Kunstschätze, Gold, Wertpapiere und Devisen versteckt hatten? Allerdings war die Gegend nach dem Krieg so genau mit Metalldetektoren durchkämmt worden, dass es unmöglich war, dort noch einen Schatz zu finden. Etwas ließ Dietrich Gruber glauben, dass ihn der Code seines Vaters zu etwas vollkommen anderem führen würde.
Hartnäckig setzte er die Untersuchung der Ortsnamen fort. Er würde den richtigen Hinweis schon finden. Und das wäre ein deutliches Zeichen, die Belohnung des genialen Vaters für seinen Sohn. Kufstein, Kiefberg, Guffertspitze …
Der Code stand vor ihm auf dem Papier. 16186C152 423DHEG.
Wenn die Ziffern Buchstaben entsprachen, dann entsprachen die Buchstaben wahrscheinlich Ziffern. Dann käme PRF30YX4857 heraus, wenn man die mittleren Zahlenpaare 15, 24 und 23 als 15., 24. und 23. Buchstaben des Alphabets deutete, also als O, Y und X. Wenn man die mittleren Ziffern einzeln interpretierte, hätte man A, E, B, D, B und C, also PRF3AEBDBC4857.
In dem Moment läutete wieder das Telefon, dasjenige mit der Nummer, die Gruber dem Makler aus Faleria und den italienischen Behörden gegeben hatte, die Nummer von »Hans-Martin Weymann«. Gruber zwang sich, seiner tiefen Stimme einen freundlichen Ton zu geben.
Am anderen Ende war ein Mann, der Deutsch mit starkem italienischem Akzent sprach. »Signor Weymann?«
»Ja, der bin ich. Worum geht es?«
»Mein Name ist Paolo Monticelli, ich rufe aus Faleria an, aus der Villa Mariluce. Ich bin der neue Mieter der Villa. Hier ist ein Expressbrief für Sie angekommen. Ein dicker, gepolsterter Umschlag. Was soll ich damit machen? Signor Moretti hat mir Ihre Nummer gegeben …«
Gruber überlegte einen Moment. Er war unsicher und das Gefühl der Unsicherheit hatte er noch nie gemocht. Noch weniger mochte er Überraschungen, aber die konnte man bei keiner Operation und überhaupt im Leben nicht vermeiden. Ein Expressbrief, vielleicht eine Wertsendung … Was konnte das nur sein?
»Steht kein Absender auf dem Kuvert?«, fragte er.
»Nein.«
Gegen Unsicherheit und Überraschungen gab es nur eine wirksame Medizin: die Beschaffung von Informationen und die Entscheidungen, die auf deren Grundlage dann getroffen wurden.
»Ich bin derzeit auf Reisen«, sagte Gruber. »Aber könnten Sie den Brief freundlicherweise unter meinem Namen als Poste restante schicken? Die Adresse ist 80820 Bergstein, Deutschland. Ich würde Sie bitten, ihn per Express zu schicken, damit ich ihn gleich am Freitagmorgen habe.«
»In Ordnung. Ich gebe ihn sofort in die Post.«
»Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen.«
Gruber legte auf. Am liebsten hätte er den Brief sofort gesehen. Er versuchte, alle unangenehmen Vorahnungen abzuschütteln, indem er sich von Neuem in die Landkarte vertiefte. Dennoch kam ihm unweigerlich der Gedanke, dass es sich um eine unangenehme Angelegenheit handelte. Versuchte womöglich einer seiner Mitarbeiter, ihn zu erpressen?
Aaro stand in Essi Mannerlas Küche im Brüsseler Stadtteil Woluwe und diktierte Paolo in Rom telefonisch einen Brief an Herrn Weymann. Paolo hatte versprochen, den Brief noch am selben Abend am Hauptbahnhof aufzugeben, damit er bis Freitag in Deutschland war. Aaro blickte auf die Uhr. Es ging bereits auf acht zu, seinem Vater gefiel es nicht, wenn er so spät noch mit der U-Bahn fuhr. Aaro konnte diese übertriebene Sorge nicht verstehen, denn sie waren ja schließlich nicht in Helsinki, wo sich laut Umfragen sogar die Erwachsenen in den U- und S-Bahnen fürchteten.
Als Aaro fertig war, reichte er Essi das Telefon, worauf honigsüßes Gezwitscher losging. Aaro hatte beschlossen, am Wochenende nach Bayern zu fahren. Da er aber minderjährig war, brauchte er Begleitung.
»Nun frag ihn schon nach dem Wochenendtrip«, flüsterte er.
Essi hob die Augenbrauen. »Was? Ich dachte, du machst Witze.«
Aaro zog eine Grimasse und Essi sagte ins Telefon: »Paolo, Aaro hat vorgeschlagen, am
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