Der Dunkle Code
ein olivgrünes Modell der G-Klasse und nicht so ein M-Klasse-Spielzeug für reiche Städter. Das G-Modell stammt vom Ende der 90er-Jahre, ist also für hiesige Verhältnisse ziemlich alt. In Deutschland fährt ein Mann, der etwas auf sich hält, kein Auto, das älter ist als zwei Jahre.«
Aaro verstummte. Er wusste, dass er extrem nervös war. Die Müdigkeit und die Nervosität wirkten sich allmählich in besorgniserregender Weise auf seine Wahrnehmungsfähigkeit aus. Er nahm sich vor, sich über Nikos Gerede nicht aufzuregen, denn trotz aller Überanstrengung musste ihre Zusammenarbeit reibungslos funktionieren.
Als sie sich Grubers Haus näherten, wuchs die Anspannung weiter. Sie stellten das Auto am Waldrand ab und gingen an einem Bach entlang, bis sie die Stelle erreichten, an der sie auch das letzte Mal auf der Lauer gelegen hatten. Der moosige Boden war von einer dicken Schicht gelber Nadeln und Blätter übersät. Ihr Versteck lag fast vollkommen im Dunkeln. Der grüne Mercedes-Geländewagen stand vor dem Haus.
»Heute fahren die bestimmt nirgendwo mehr hin«, sagte Niko mit Blick auf das Haus.
»Kann gut sein, dass sie essen gehen. In Mitteleuropa gehen die Leute öfter ins Restaurant und auch viel später als in Finnland.«
Niko warf ihm einen leicht beleidigten Blick zu. »Das weiß ich auch. Außerdem war ich letztes Wochenende mit meiner Schwester essen. Kebab auf Reisbett. Meine Schwester hat Würstchen und Pommes genommen, weil sie noch so klein ist und nichts Scharfes mag. Da fällt mir ein, dass ich eine SMS nach Hause schicken müsste«, meinte Niko.
Die Minuten krochen dahin. Niko erzählte die Handlung eines Nazifilms, der in den Alpen spielte, und geriet dabei allmählich in Begeisterung.
»He, jetzt geht das Hoflicht an«, unterbrach ihn Aaro.
In der schmiedeeisernen Lampe auf der Rückseite der Villa brannte helles Licht. Die Hintertür ging auf und der grauhaarige Mann kam mit seinem breitschultrigen Freund aus dem Haus. Der junge Typ musste ein Leibwächter sein, denn er war ständig auf der Hut, wie eine Katze, er blickte sich nach allen Seiten um, als würde er ein Attentat befürchten. Jetzt blickte er auf den Hang mit den Fichten und schien die Jungen direkt anzustarren. Aaro wurde kalt, obwohl er wusste, dass sie an dem dunklen Hang nicht gesehen werden konnten, zumal sie beide schwarze Kapuzenpullis trugen.
Die Männer gingen zur Vorderseite des Hauses, wo durch den Bewegungsmelder sofort auch eine Lampe anging. Sie stiegen in den Wagen, der jüngere setzte sich ans Steuer. Dann verschwand das Auto in Richtung Bergstein.
»Jetzt schnell«, sagte Aaro und machte sich auf den Weg den Hang hinunter. »Du hast den Dietrich doch dabei?«
Niko bejahte und keuchte ihm hinterher. Durch das seitliche Gartentor kamen sie leicht aufs Grundstück, dann verlangsamte Aaro den Schritt. Und wenn noch eine Person im Haus war? Oder gar ein Wachhund?
Er legte ein Ohr an die Hintertür. Es war nichts zu hören. Aber im ersten Stock brannte gedämpftes Licht.
»Ist da noch jemand?«, fragte Niko mit zitternder Stimme. Unsicher hielt er den gebogenen Draht in der Hand.
»Das müssen wir zuerst prüfen. Falls jemand kommt, sagen wir, wir haben uns verirrt. Zum Glück steht unser Auto einen Kilometer weit weg.«
Aaro drückte auf die Klingel, worauf ein schriller Ton die Luft durchschnitt. Dann läutete er noch zweimal. Es rührte sich nichts. Er griff nach der Türklinke. Leicht knarrend ging die Tür nach innen auf. Sie war nicht abgeschlossen.
Wie war das möglich? Sollte das eine Falle sein?
Im Flur roch es nach wertvollen, gewachsten Möbeln, nach Leder und dem Staub auf alten Büchern und dicken Teppichen. Aaro nahm die Mini-Maglite aus der Tasche und ging ins Wohnzimmer.
»Wie dicht bist du an der Lösung dran, Boss?«, wagte Achim zu fragen, als sie kurz vor Bergstein waren.
Dietrich versetzte ihm einen kameradschaftlichen Stoß gegen die Schulter, denn man musste seine Untergebenen bei Laune halten. »Ziemlich nah dran, glaube ich. Der Schlüssel scheint reine Mathematik zu sein, man braucht nur das richtige Schema, um ihn zu finden. Das fehlt mir vorläufig noch. Sollen wir übrigens bei Grosch essen oder woanders?«
»Mir ist Grosch recht, die haben gutes Lamm dort. Aber wie du willst, Boss, bis Teisendorf ist es auch nicht weit. Dort gäbe es die guten Nürnberger Bratwürste …«
»Stimmt. Außer dass ich mein Portemonnaie auf der Kommode im Flur vergessen habe«, sagte
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