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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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verkündete der Bürgermeister und ein Raunen ging durch die wartende Menge. »Fabioncello!«, tönte es gleichzeitig aus Tausenden von Kehlen. Geflüstert zwar, aber dennoch gut zu vernehmen. Signore Morelli hob erwartungsvoll den Kopf und auch Maria erwischte sich dabei, wie sie die Hände faltete und in Gebetshaltung vor die Brust führte.
    Quattro . Vier. Nun ging es also schon darum, wer den Favoriten Fabioncello zugewiesen bekommen würde. Das Pferd, das jeder der hier Anwesenden am liebsten in seinem eigenen Stall stehen haben wollte. Den Gewinner des letzten Palio. Würde er auch dieses Mal der Contrade, für die er lief, den Sieg bescheren?
    Maria widerstand dem Impuls, sich die Hände vor das Gesicht zu halten. Stattdessen fixierte sie die Anzeigetafel. Was, wenn der Panther das Glück haben sollte, dieses herausragende Pferd zugeteilt zu bekommen?
    »Aquila!«, rief der Bürgermeister und um Maria herum war mit einem Mal der Teufel los. Männer und Frauen schrien, hüpften auf und ab, lagen einander in den Armen, wischten sich Tränen aus den Augenwinkeln. Marias Blick traf sich mit dem ihres Vaters und sie konnte die Freude auch in seinen Augen sehen. Dann stürzten plötzlich alle nach vorne, und Maria hatte Mühe, nicht niedergetrampelt zu werden. Sie ließ sich vom Menschenstrom mitreißen – und hätte auch gar keine andere Wahl gehabt.
    Fabioncello tänzelte nervös, als er plötzlich von so vielen jubelnden Menschen umringt wurde. Matteo, der barbaresco, hatte einige Mühe, das Pferd zu halten und zu führen. Immer wieder versuchte Fabioncello mit angelegten Ohren zu steigen und drohte durchzugehen. Das hinderte die Anhänger des Adlers jedoch nicht daran, begeistert um das Pferd herumzulaufen, seinen Hals und seine Kruppe zu tätscheln, die Arme in Siegerpose in die Luft zu strecken und aus vollen Kehlen die Hymne ihrer Contrade erklingen zu lassen.
    Auch Maria strahlte vor Freude und umarmte glücklich ihren Vater. Einen kurzen Augenblick lang bedauerte sie zwar, nun nicht mehr mitzubekommen, welches Pferd Angelo zugewiesen wurde. Doch dann siegte ihre Freude über dieses cavallo buono . An der Seite ihres Vaters und gemeinsam mit den Bewohnern ihres Stadtviertels führte sie Fabioncello durch die engen Gassen Sienas in sein vorläufiges neues Zuhause.
    »Signore Morelli!« Die Stimme des Alten, der am Rand der Gasse stand und ihnen entgegenblickte, klang brüchig. Er beugte sich über seinen Krückstock und hob eine zittrige Hand empor, als der capitano an ihm vorübereilte.
    »Signore Bertani!« Morelli blieb stehen und legte dem alten Mann in einer freundschaftlichen Geste den Arm um die knochige Schulter.
    Bertani konnte vor Glück und Rührung kaum sprechen. Mit einem Stofftaschentuch wischte er sich wieder und wieder die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann seuftzte er, umarmte den capitano wortlos und küsste ihn auf beide Wangen. »Grazie«, murmelte er schließlich. »Jetzt haben wir das beste Pferd im Stall.«
    Signore Morelli klopfte dem Alten sacht auf den Oberarm und nickte. » Si, Signore Bertani. Fortuna war uns wohlgesonnen. Wir können nun frohen Mutes nach vorne blicken.«
    Der Blick des Alten huschte vom capitano zu Maria, die neben ihrem Vater stehen geblieben war und dem Gespräch folgte. »Ist diese hübsche junge Frau etwa Ihre Tochter?«, fragte er.
    »Oh ja«, erwiderte Signore Morelli mit Stolz in der Stimme. »Das ist meine Maria.«
    »Geben Sie gut auf sie acht«, sagte der Alte. »Unsere Kinder sind alles, was wir haben. Wir müssen sie beschützen und bewahren.«
    »Da haben Sie recht, Signore Bertani«, stimmte Morelli zu. »Da haben Sie vollkommen recht.«
     
    Es dauerte eine Weile, bis Maria an der Seite ihres Vaters vor der casa del cavallo ankam. Überall musste der capitano Hände schütteln und Glückwünsche entgegennehmen.
    Matteo führte Fabioncello, der immer noch nervös wirkte, auf dem kleinen Platz vor dem Stall im Kreis herum, damit sich das Pferd beruhigen konnte.
    Die meisten jungen Männer hatten sich auf dem Weg hierher an irgendeiner Stelle von dem Zug abgespalten und standen nun an den Plätzen und Ecken der Contrade, um sich gegenseitig noch einmal zu erzählen, wie sie die Sekunden der Entscheidung erlebt hatten. Ungeachtet der frühen Stunde knallten die ersten Sektkorken. Man feierte das Glück, einen – wenn nicht sogar den – Favoriten im eigenen Stall zu wissen.
    Auch Maria nahm das kleine Gläschen Prosecco, das jemand ihr reichte, mit

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