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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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gelegt hatte und sichtlich verzückt lächelnd zwischen den beiden jungen Frauen die Gassen entlangschlenderte.
    »Was würdest du denn sagen, wenn ich ihn mir nicht anschaute? Dass ich keine Ahnung habe, wovon ich rede?« Alessandro schüttelte den Kopf. »Nein, nur weil man gegen etwas ist, heißt das nicht, dass man sich keinen Überblick über das verschafft, was man ablehnt. Außerdem, Cousinchen …« Er lehnte sich vertrauensvoll zu Maria hinunter. »… muss ich doch sehen, ob unsere Aktion Wirkung zeigt, oder?« Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
    »Glaubst du nicht, das hat sie schon?«, gab Maria zurück und musterte Alessandro prüfend. Zu gern hätte sie ihn dabei ertappt, wie er sich verriet und preisgab, dass der Einbruch ins Museum der contrada und die Beschädigung des kostbaren Banners auf sein Konto und das seiner Kumpels ging.
    Tatsächlich überzog eine leichte Röte Alessandros Wangen, dennoch blickte er Maria unverwandt an und fragte: »Was meinst du damit?«
    »Ja genau«, sagte auch Claudia, die bislang stumm dem Gespräch der beiden gelauscht hatte, »was meinst du damit?«
    »Ach, vergiss es«, antwortete Maria.
    Denn inzwischen standen sie inmitten unzähliger Menschen vor der noch geschlossenen Kirche. Endlich öffneten sich die Tore, gaben den Blick in die festlich in Gelb und Schwarz geschmückte Kirche frei und Maria ließ sich von dem Strom der Menschen mitziehen. Nur mit Mühe fanden sie noch Platz in einer der letzten Reihen.
    Immer mehr Menschen strömten herein. Selbst als schon längst alle Reihen voll waren, verteilten sich die Schaulustigen in den Seitenschiffen oder blieben im hinteren Teil des Mittelschiffes stehen. Erst als tatsächlich kein Quadratzentimeter freier Raum mehr zur Verfügung stand, hob der Priester die Arme und die Menge verstummte.
    Maria reckte den Hals, um einen Blick auf ihren Vater zu erhaschen, der irgendwo vorne in der ersten Reihe sitzen musste. Aber sie konnte ihn beim besten Willen nirgends entdecken.
    Dann kam Fabioncello. Die pure Anwesenheit des Tieres in der Kirche sorgte für eine außergewöhnliche, festliche Stimmung. Denn normalerweise war das Gotteshaus ja nur den Menschen vorbehalten. Entsprechend fehl am Platze schien sich Fabioncello auch zu fühlen. Er erschrak vor seinem eigenen Hufklappern, das von dem steinernen Boden der Kirche widerhallte, und seine Ohren zuckten nervös.
    Maria folgte wie alle anderen dem Weg des Pferdes durch das Mittelschiff mit den Augen. Der Hengst sah prachtvoll aus. Sein sorgfältig gestriegeltes Fell glänzte selbst hier im dämmrigen Schein der Kerzen.
    Fernando wartete vor dem Altar auf Fabioncello wie ein Bräutigam auf seine Braut, während der barbaresco das Pferd zu ihm führte. Der fantino trug bereits sein Kostüm, die gelbe Hose mit den schwarzen Streifen an der Seite und die dazu passende Jacke. Auch Fabioncello war schon mit dem spennacchiera, dem kegelförmigen Kopfschmuck in den Farben der contrada, an dessen unterem Ende ein kleiner runder Spiegel eingearbeitet war, geschmückt.
    »Allmächtiger und ewiger Gott!«, erhob der Priester seine Stimme. »Gib diesem Tier Fabioncello deinen Segen und beschütze seinen Körper, damit ihm kein Leid geschehe, Amen.«
    »Amen«, raunte die Menge, während der Priester Weihwasser auf Fabioncellos und Fernandos Köpfe sprühte.
    »Vai e torna vincitore!«, rief der Priester zum Abschluss. Lauf und kehre als Sieger zurück!
    Als Fabioncello die Kirche im Anschluss verließ, herrschte erneut absolute Stille, die lediglich von dem Klappern der Pferdehufe durchbrochen wurde. Nur ein kleiner Junge rief irgendetwas, das Maria nicht verstehen konnte, und wurde augenblicklich von seiner Mutter mit einem gezischten »Pssst« ermahnt.
    Kurz vor dem großen zweiflügeligen Tor der Kirche hob Fabioncello den Schweif und ließ einige wohlgeformte Pferdeäpfel auf den Kirchenboden fallen. Eine Gruppe junger Mädchen kicherte leise und eine alte Frau neben Maria raunte: »Das ist ein gutes Omen, ein wahrhaft gutes Omen.«
    Kaum hatte Fabioncello die Kirche verlassen, ertönte der laute Ruf der Menge: »Aquila vola!« Und die Menschen strömten schwatzend und lachend hinaus in die gleißende Sonne auf dem Kirchvorplatz.
    Maria hatte Alessandro und Claudia in dem Gedränge aus den Augen verloren, doch sie wartete einfach am Rand des kleinen Platzes vor dem Gotteshaus auf ihre Freunde. Als sie die beiden Arm in Arm auf sich zukommen sah, musste sie unwillkürlich

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