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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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nahezu eine Viertelstunde, bis endlich alle Pferde so standen, dass der mossiere zufrieden war und den Start freigab.
    Gabriel auf Callimero, der von dem Tumult verschont geblieben war, reagierte blitzschnell. Er dirigierte seinen Hengst in die mossa , das vordere Startseil fiel und die Pferde preschten los, von ihren Reitern kraftvoll mit der Reitgerte angetrieben.
    Und dieses Mal war der Start gültig.
    In gestrecktem Lauf sprintete Callimero, während sich die anderen noch aus dem Startknäuel zu befreien suchten, nach vorne und wechselte zügig auf die Innenbahn. Die Zuschauer kreischten. Dann hatten es auch die anderen Reiter geschafft, sich zu ordnen, und setzten Gabriel nach.
    Bereits vor der ersten Kurve, der gefährlichen San Martino, hatten sie den Ausreißer eingeholt. Gabriel wurde von den nachfolgenden Pferden nach außen abgedrängt, prallte gegen die materassi, die matratzenartige Polsterungen, die den Aufprall von Pferden und Reitern etwas mindern sollten, wurde hoch in die Luft geschleudert und knallte hart auf dem Boden auf. Callimero jedoch ließ sich von dem Verlust seines Reiters nicht beeindrucken. Er reagierte so, wie es die Natur vorgesehen hat, und rannte den anderen einfach hinterher, während sich Gabriel fluchend aufrichtete und sich, so schnell es ging, vor den nachfolgenden Pferden in Sicherheit brachte.
    »Nummer eins«, konstatierte Alessandro mit heruntergezogenen Mundwinkeln.
    Maria hatte sich kaum von dem Schreck erholt und erleichtert registriert, dass Gabriel offensichtlich unverletzt geblieben war, als der entsetzte Aufschrei Claudias ihre Aufmerksamkeit zurück auf das Geschehen in der Bahn lenkte.
    An seinem gelb-schwarzen Kostüm erkannte sie sofort, dass es Fernando war, der jetzt, nur Sekunden nach Gabriel, vom Pferd zu stürzen drohte. Die Unebenheiten der Bahn, die hohe Geschwindigkeit und das Reiten ohne Sattel hatten ihn im Gedränge der beinahe rechtwinkligen, abfallenden San-Martino-Kurve das Gleichgewicht verlieren lassen. War dies etwa schon das Ende vom Traum? Dem Traum der Adler-Anhänger, den Palio zu gewinnen und Glanz und Gloria für ihr Stadtviertel zu erringen?
    Einen Augenblick lang hielt sich Fernando noch an Fabioncellos Mähne fest und die Anhänger der contrada dell’ aquila falteten die Hände wie zum Gebet. Dann verließ den fantino offensichtlich die Kraft und er stürzte zu Boden. Sein Körper wurde von den Hufen der nachfolgenden Pferde hin und her geschleudert wie ein lebloser Sack. Und als er sich aufrichten wollte, preschten die letzten zwei Pferde heran und mähten ihn erneut nieder.
    Die Zuschauer kreischten entsetzt auf. Männer und Frauen gleichermaßen hielten sich erschrocken die Hände vor den Mund oder verbargen ihre Augen. Das konnte nicht gut gegangen sein!
    Schwankend rappelte sich Fernando auf. Beinahe verlor er sofort erneut das Gleichgewicht, er torkelte wie ein Betrunkener. Als einer der Helfer auf ihn zustürmte, um ihn zu stützen und von der Bahn zu führen, riss er abwehrend und mit vor Panik verzerrtem Gesicht die Arme hoch, um sich zu schützen. Dann erst realisierte er, dass es nicht ein weiteres Pferd war, das auf ihn zukam, sondern helfende menschliche Hände, die ihn festhielten und fortbrachten.
    Fabioncello folgte wie zuvor Callimero dem Pulk der Reiter. Doch ohne Fernando auf seinem Rücken schien es für ihn keinen Grund mehr zu geben, das hohe Tempo beizubehalten. Callimero hingegen war ohne das lähmende Gewicht seines Reiters auf dem Rücken jetzt ungleich schneller als alle anderen und holte Platz um Platz auf!
    Die begeisterten Rufe der Zuschauer verliefen gleich einer akustische La-Ola-Welle um den Platz. Selbst wenn Maria nicht sehen konnte, was auf der anderen Seite der Strecke vor sich ging, so konnte sie dank der gezeigten Begeisterung genau erkennen, wo die Pferde sich gerade befanden.
    Dreimal würde die Piazza auf diese Weise umrundet werden. Dreihundertneununddreißig Meter in nicht einmal hundert Sekunden. Zwei Jockeys waren bereits vorzeitig aus dem Rennen ausgeschieden. Wie viele würden ihnen noch folgen?
    Wie alle anderen neben ihr, hinter ihr und vor ihr, wandte Maria den Kopf, um vielleicht doch über die zigtausend Köpfe hinweg zu sehen, was unter den verbliebenen Reitern vor sich ging. Doch dazu gab es nicht die geringste Chance. Sie überlegte, ob sie nicht besser das Angebot ihres Vaters, für sie einen Platz auf einer der Tribünen oder Balkone zu besorgen, angenommen hätte. Maria hatte

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