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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Mund, und er ging.
    Als ich gefrühstückt hatte, zog ich mich langsam an. Es waren zwar noch einige Stunden bis zum Rendezvous um drei Uhr, aber vorher mußte ich ja noch die Telefonhörer besorgen, und ich wollte mir Zeit dazu lassen. Es war elf, als ich das Hotel verließ und in Richtung Kudbek schlenderte. Ich erinnerte mich, in der Post einige Telefonzellen gesehen zu haben.
    Viel zu schnell war ich dort. Ich blieb ein paar Minuten vor dem Postgebäude stehen und kam mir ziemlich blöd vor. Nichts beeinträchtigt das Selbstbewußtsein eines Menschen mehr als der Gedanke, zu vertrauensselig zu sein. So etwas ist eine Anklage gegen die Intelligenz, und man weiß nicht, was man zur Verteidigung vorbringen soll. Es gibt keine Entschuldigung oder Rechtfertigung als Trostpflaster auf die Wunde, die dem Stolz geschlagen worden ist. Ich stand vor der Notwendigkeit, zu handeln, und nun, so kurz vor der Tat, fand ich es ziemlich kindisch von mir, Carruthers so vorschnell vertraut zu haben. Ich kam mir vor wie ein Reporter vor seinem ersten Auftrag. Der Auslandskorrespondent der Tribune für Europa stiehlt Telefonhörer, um etwas zu belauschen, das sich dann schließlich als ganz gewöhnliche Geschäftsbesprechung herausstellt, und zwar auf Geheiß eines komischen Kauzes mit einer Passion für Schundromane – das ließ mich erröten. Atombomben! Geheimpapiere! Geheimagenten! – das Erröten verstärkte sich, bis ich vor Selbstverachtung glühte. Doch da es für den Menschen nichts Schlimmeres gibt, als wenn er sich als Narr fühlt, würde ich, punkt drei Uhr vor dem Hotel aufkreuzen und in meinen Taschen mit einem unguten Gefühl zwei Telefonhörer tragen, Eigentum der Ixanischen Regierung. Denn am Ende überzeugt nur das Zeugnis seiner Sinne einen Mann, und besonders einen Pressemann, davon, daß er wirklich von einem Narren zum Narren gemacht worden ist.
    Ich nahm mich zusammen und betrat das Postgebäude. Die Reihe der Telefonzellen konnte nicht auffälliger liegen. Ich betrat die hinterste und klappte mein Taschenmesser in der Manteltasche auf. Ich nahm den Hörer vom Haken, verlangte die erste beste Nummer und begann dort zu säbeln, wo die Schnur im Apparat verschwand. Sie war überraschend hart, und ich war zusätzlich behindert durch ein stumpfes Messer und dadurch, daß ich zum Schneiden bloß eine Hand frei hatte. Endlich war ich durch. Ich tat, als würde ich den Hörer einhängen, und steckte ihn in die Tasche meines Mantels, den ich überm Arm trug. Raschen Schrittes verließ ich die Zelle, klatschnaß vor Angstschweiß. Ich traute mich nicht, den zweiten Hörer im selben Postamt zu stehlen. Nach einigem Suchen fand ich eine andere Telefonzelle, wo ich ebenso vorging wie vorher.
    Hierauf ging ich zum Kudbek zurück – die Hörer stießen gegen meine Seite – und betrat das erste Café am Weg. Ich hatte einen Drink verdient! Das Café war ziemlich voll, aber ein unverkennbarer weißer Schopf sprang mir ins Auge. Es war Andrassin. Neben ihm saß ein Mann mittleren Alters. Er hatte ein schmales, intelligentes Gesicht, einen schwarzen Schnurrbart und dunkelblaue Augen. Ich schlängelte mich zu ihrem Tisch durch. Andrassin begrüßte mich hocherfreut und bat mich, auf dem freien Stuhl Platz zu nehmen. Ich bedankte mich, setzte mich und bestellte einen Brandy. Meinen Überzieher hielt ich schön gefaltet in meinem Schoß. Andrassin machte eine ausladende Geste in Richtung seines Tischgenossen.
    »Mr. Casey, gestatten Sie, daß ich Ihnen Tumachin vorstelle.«
    Er sagte rasch einige Worte in der Landessprache zu Tumachin, der sich leicht verbeugte und mich aus klugen Augen musterte. Andrassin strahlte uns beide an und wandte sich dann mit einem entschuldigenden Augenzwinkern zu mir.
    »Mr. Casey, Sie sind mitten in eine Verschwörung zum Sturze des Kapitalismus hineingeplatzt. Entschuldigen Sie uns bitte ein paar Minuten.«
    Ich sagte, sie sollten sich nicht stören lassen, und die beiden sprachen leise und schnell miteinander, das heißt, Andrassin besorgte das Reden, und Tumachin hörte mit feierlicher Miene aufmerksam zu. Sie boten einen bemerkenswerten Kontrast. Andrassin ungekämmt, zungenfertig, mit strahlenden Augen, voller Leben und Begeisterung. Tumachin ernst, ausgeglichen, entschlossen. Jeder, das sah man sogleich, war des andern Ergänzung. Was Tumachin an Phantasie abging, hatte Andrassin. Und die praktische Geschicklichkeit, die Andrassin fehlte, besaß Tumachin. Was sie verband, waren gemeinsames

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