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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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ließ er ein kurzes, selbstbewußtes Lachen hören.
    »Ganz schön emotional, diese Ausländer! Retter Ixaniens nennt er mich! Wenn er nicht so ein gewiefter Bursche wäre, könnte man ihn fast sentimental nennen.«
    Ich traute meinen Ohren kaum. Wenn der Mann nicht neben mir gesessen wäre, hätte ich geschworen, den Hauptdarsteller eines drittrangigen Melodramas zu hören, der in einem ganz miesen Kitschstück den Engländer mimt. Ich zuckte zusammen. Das war’s! Jetzt wußte ich, an was mich sein Gebaren erinnert hatte. Mit einem Mal kam mir die Premiere eines neuen Stücks in New York in den Sinn und die darauffolgende Party. Ich wurde dem Hauptdarsteller vorgestellt, einem ruhigen Mann mit einem Gesicht voller Pickel. Es hatte ihn gefreut, daß mir das Stück gefallen hatte, aber zugleich war er auch überrascht. Als wir uns weiter unterhielten, fiel mir auf, wie er das Gespräch langsam aber sicher auf sein Spiel brachte. Ich entsann mich, wie geschickt er es vermieden hatte, das Thema direkt anzugehen, wie er sich absichtlich positiv über die Darstellungen der andern Mitglieder der Truppe geäußert hatte. Er hatte mich unwillkürlich an einen Autoverkäufer aus der Fifth Avenue erinnert, der einen Rolls Royce verkauft, indem er die Karosserie rühmt, und der verlegen lächelt, wenn jemand so banal ist, die Geräuschlosigkeit und Vortrefflichkeit des Motors zu loben. Nun entdeckte ich bei Carruthers die Karikatur derselben falschen Bescheidenheit, die um Applaus bittet.
    Brutal sagte ich: »Wahrscheinlich wird er seine Meinung ändern, wenn seine Begeisterung verflogen ist.«
    Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Vermutlich haben Sie recht.« Aber ich wußte, daß er das nicht wirklich glaubte, und am liebsten hätte ich ihm einen Tritt gegeben.
    Wir wandten uns nun dem näher liegenden Problem von Carruthers Umzug zu. Wir kamen zu dem Schluß, daß es besser wäre, wenn sich Carruthers nicht zu oft im Hotel Europa blicken lassen würde. Ich war dafür, seine Sachen dort zu lassen, weil sie leicht zu ersetzen waren, aber es stellte sich heraus, daß er fast sein ganzes Geld, 4000 Franken in Schweizer und englischer Währung, dort in seinem Koffer eingeschlossen zurückgelassen hatte. Da jedoch eine größere Menge Bargeld unter den gegebenen Umständen lebenswichtig sein konnte, erbot ich mich, seinen Koffer und den Rest seiner Sachen abzuholen, wenn er mir ein Schreiben an den Hotelmanager mitgab. Ich sollte mein Angebot schnell bereuen. Ich hätte wissen sollen, daß solch weltliche Einfachheit vor Carruthers keinen Gefallen finden würde. Er wandte alles mögliche gegen meinen vernünftigen Vorschlag ein, und meine Gegeneinwände vermochten ihn nicht zu überzeugen. Groom könnte mich beim Weggehen sehen. Vielleicht hatten die Spitzel der Gräfin dem Hoteldirektor Direktiven erteilt. Er führte noch eine Menge solcher Hindernisse an, und endlich gab ich es auf und versprach ihm, mich ins Hotel einzuschleichen – vorsichtig bis zur Überspanntheit hatte er es unterlassen, seinen Zimmerschlüssel an der Reception abzugeben – und dann seinen Koffer an einem Seil aus dem Fenster hinunterzulassen. Er würde drunten auf dem Trottoir stehen und ihn in Empfang nehmen. Hierauf würde ich das Zimmer auf demselben Weg verlassen.
    Nachdem wir ein Seil gekauft hatten, gingen wir zum Abendessen. Um halb elf brachen wir auf.
    Auf dem Weg erläuterte mir Carruthers, wie einfach es für mich sei, unbeachtet die Treppe hinauf und ins Zimmer zu kommen, da der Nachtportier, der seinen Dienst um zehn Uhr antrat, nur selten auf seinem Posten sei. Sollte ich aus einem nicht vorhersehbaren Grund angehalten und gefragt werden, wer ich sei, und wohin ich wolle, so sollte ich mich als ausländischer Bürsteneinkäufer ausgeben. Eine Anzahl solcher Herren wohne nämlich zur Zeit dort. Die Vorstellung, daß ich mich beim Herumschnüffeln in einem fremden Hotelzimmer und beim Hinunterlassen des Gepäcks aus dem Fenster, wenn ertappt, als ausländischer Bürsteneinkäufer ausgeben sollte, machte mir das Unterfangen nicht schmackhafter. Aber es war reine Zeitverschwendung, mit Carruthers zu argumentieren.
    Eine Viertelstunde später kamen wir zur Straße, an der das Hotel Europa stand. Carruthers verließ mich hier, um auf unauffälligen Wegen über verschiedene Hintergäßchen zu seinem Posten unter dem Fenster zu kommen. Völlig überflüssigerweise ermahnte er mich nochmals zur Vorsicht, bevor er wie ein Verschwörer in

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