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Der dunkle Herzog

Der dunkle Herzog

Titel: Der dunkle Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Ashley
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zurück und half den Krankenschwestern – räumte Steine zur Seite, hielt Menschen in den Armen, tröstete sie, verband die Verletzten.
    Einmal sah sie einen Mann in den Bahnhof laufen, der Harts Gestalt und Aussehen hatte, und das Herz wäre ihr fast stehengeblieben. Aber es war nicht Hart; es war Inspektor Fellows. Mac ging zu ihm, und beide standen da und schauten auf das Chaos und die Menschen.
    Eleanor arbeitete weiter, half, versuchte, die Leute zu beruhigen und ihnen gut zuzureden. Der Bahnhof wurde aufgeräumt, die Verletzten fortgebracht, viele halfen noch immer, die Trümmer zu beseitigen. Sie fanden noch weitere Menschen, die darunter begraben worden waren, alle lebten noch, als man sie herausholte, Gott sei Dank.
    Aber kein Hart, kein Ian. Als sich die Dunkelheit des Abends über den Bahnhof legte, war der Bahnsteig geräumt worden. Ein tiefer, zur Hälfte mit Schutt gefüllter Krater klaffte im Boden. Ein übler Geruch stieg daraus auf. Mac und Inspektor Fellows gaben Anweisung, dass Schaufeln und sonstige Gerätschaften herbeigeschafft wurden. Sie hoben das Loch tiefer aus und gelangten an die Abwasserkanäle.
    Aber sie fanden weder Hart noch Ian, ja nicht einmal eine Spur von ihnen.
    Hart konnte nicht atmen. Er keuchte, er war am Ertrinken und jemand schlug ihn, die Schläge brachen ihm seinen Rücken und seine Rippen.
    Schrei nicht. Lass ihn nicht merken, wie weh es tut.
    Es war sehr wichtig, dass Hart seinen Vater niemals die Genugtuung gab, dass er zusammenbrach. Niemals würde er seinem Vater diesen Triumph gönnen. Der Duke hatte gewollt, dass Hart sein Sklave war, dass er jedem Ansinnen gehorchte, egal wie nichtig oder bösartig es war.
    Niemals. Und wenn er mich schlägt, bis ich sterbe, ich werde ihm niemals gehören.
    Der alte Duke hatte niemals zuvor versucht, Hart zu ertränken. Nur Prügel, üblicherweise mit einer Birkenholzrute oder einem Ledergurt – oder wenn sie draußen waren mit jedem herumliegenden Ast, der stark genug aussah.
    Durch den Schmerz und seine Benommenheit spürte Hart, dass da etwas war – etwas Gutes –, an das er sich erinnern musste. Etwas, an das er sich klammern konnte, was ihm helfen würde, das alles zu überstehen. Etwas, das ihm das Herz leichtmachte, trotz der dumpfen Kälte, die ihn umgab.
    Hart öffnete die Augen. Er dachte, er täte es. Er sah jedoch nur tintenschwarze Finsternis.
    Die Prügel gingen weiter. Verschwommen erinnerte sich Hart daran, wie er über den Lauf eines Gewehres hinweg in das wütende, hochrote Gesicht seines Vaters gesehen hatte, dann der laute Knall, als das Gewehr losging. Er hallte noch immer in seinen Ohren nach. War sein Vater tot? Er konnte sich nicht erinnern.
    Etwas rumorte in Harts Magen, und er erhob sich auf Hände und Knie und erbrach es. Er verharrte auf allen vieren, keuchend und würgend, aber zumindest hatte sein Vater aufgehört, ihn zu schlagen.
    Das Dröhnen in seinen Ohren hörte jedoch nicht auf. Hart hatte keine Erinnerung daran, wie er an diesen nachtschwarzen Ort geraten war, aber er war sicher, dass sein Vater etwas damit zu tun hatte.
Ich werde dich lebendig begraben. Vielleicht wird dich das Respekt lehren.
    Er roch etwas beißend Scharfes unter seiner Nase, fühlte einen kalten glatten Rand an seinen Lippen, und dann eine brennende Flüssigkeit in seinem Mund. Hart hustete und schluckte. Die Flüssigkeit versengte seine Kehle und glitt in seinen Magen, und er fühlte sich ein wenig besser.
    Der Geschmack war vertraut. »MacKenzie Single Malt«, krächzte er.
    Die Hand, die die Whiskyflasche hielt, konnte nicht Harts Vater gehören. Der alte Mann hätte Hart niemals einen wohltuenden Schluck Whisky gegeben, schon gar nicht einen so guten. Dieser stammte aus dem Bestand, den nur MacKenzies zu trinken bekamen.
    »Wo zur Hölle bin ich?«
    »Im Untergrund«, sagte eine Baritonstimme neben ihm. »In einem der Abwasserkanäle der mittleren Ebene.«
    »Einem der was?«
    »Einem der Abwasser…«
    »Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden, Ian.« Hart wusste, dass sein jüngster Bruder bei ihm in der Dunkelheit war. Kein anderer würde ihren genauen Aufenthaltsort mit solcher Geduld erklären und bereit sein, es zu wiederholen, bis Hart es verstanden hätte.
    Hart rieb sich den schmerzenden Kopf und spürte etwas Nasses, das, dem Schmerz nach zu urteilen, Blut war. »Die Abwasserkanäle, eh? Zwei Schotten, alleingelassen, um inmitten von englischer Scheiße zu sterben. Ich habe meine ersten Jahre als

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