Der dunkle Herzog
»Abgesehen von solchen Bemerkungen.«
Eleanor zog einen der beschriebenen Bögen zu sich heran. Ian hatte die Zahlen in seiner gleichmäßigen, sorgfältigen Schrift niedergeschrieben, jede Zwei, Fünf und Sechs identisch zu allen anderen Zweien, Fünfen und Sechsen geformt, die Reihen füllten in exakter Anordnung die ganze Seite.
»Wie wird Beth wissen, was die Zahlen bedeuten?«, fragte Eleanor.
»Bring die Seiten nicht durcheinander«, entgegnete Ian, ohne aufzuschauen. »Sie hat den Schlüssel, sie zu dekodieren.«
Eleanor schob den Bogen Papier genau an die Stelle zurück, von der sie ihn weggenommen hatte. »Aber warum schreibst du ihr in einem Code? Es wird doch sicherlich niemand außer dir und Beth diese Briefe lesen.«
Ian warf Eleanor einen raschen Blick zu, er war wie das Aufblitzen von Gold in seinen Augen. Seine Lippen verzogen sich zu einem seiner seltenen Lächeln, das wieder verschwand, als er sich erneut über die Zahlenreihen beugte. »Beth gefällt es.«
Sein Lächeln und sein Gesichtsausdruck zerrten an Eleanors Herz. Selbst in diesem flüchtigen Blick hatte sie in Ians Augen die große Liebe zu Beth gesehen, seine Entschlossenheit, diesen Brief zu beenden und ihn an sie zu schicken, damit sie die Freude hatte, ihn zu decodieren. Es war eine Art, ihr süße Nichtigkeiten zu sagen, die niemand sonst verstehen konnte. Private Gedanken, geteilt zwischen Ehemann und Ehefrau.
Eleanor dachte an den Tag zurück, an dem sie Ian zum ersten Mal begegnet war. Hart hatte sie mit in die Nervenheilanstalt genommen, um ihn zu besuchen. Dort hatte sie einen angsterfüllten, einsamen Jungen getroffen, dessen Arme und Beine zu lang für seinen Körper gewesen waren. Ian war wütend und enttäuscht gewesen, weil er die Welt nicht dazu bringen konnte, ihn zu verstehen.
Hart war überrascht gewesen, dass Ian tatsächlich mit Eleanor gesprochen hatte, es sogar zugelassen hatte, dass sie den Arm um seine Schultern legte – wenn auch nur kurz. Das war beispiellos, denn Ian hasste es, berührt zu werden.
Jener bis ins Mark verschreckte Junge war weit entfernt von dem gelassen wirkenden Mann, der ihr jetzt gegenübersaß und seiner Frau zu deren Entzücken Briefe schrieb. Dieser Ian konnte Eleanor in die Augen sehen, wenn auch nur für einen Moment, er konnte Eleanor an einem Geheimnis teilhaben lassen und darüber lächeln. Seine Veränderung, der tiefe Quell des Glücks, den er angezapft hatte, machte ihr das Herz leicht.
Sie erinnerte sich an die Zeit, als auch sie und Hart sich ein geheimes Zeichen der Kommunikation ausgedacht hatten. Es war nichts so Kunstvolles wie Ians Zahlenfolgen gewesen, aber eine Möglichkeit für Hart, Eleanor eine Botschaft zukommen zu lassen, wenn er zu beschäftigt war, um sich mit ihr zu treffen. In welcher Stadt sie sich auch aufhielten, hatte er in einem bestimmten Park an einer bestimmten Stelle, wo sie von einem zufällig Vorbeigehenden nicht entdeckt wurde, eine Blume hingelegt – üblicherweise eine Treibhausrose. In London war es eine bestimmte Wegkreuzung im Hyde Park, in der kleinen Parkanlage in der Mitte des Grosvenor Squares war es unter einem Baum, der fast in dessen Zentrum stand. Schon bald, nachdem er angefangen hatte, Eleanor den Hof zu machen, hatte Hart dafür gesorgt, dass sie über einen Schlüssel für den Park verfügte, der nur den Anwohnern zur Verfügung stand. In Edinburgh hinterließ er die Blume an ihrem Treffpunkt im Holyrood Park.
Hart hätte natürlich eine Nachricht schicken können, wenn er eine Verabredung mit ihr hatte absagen müssen, aber er hatte gesagt, es gefiele ihm zu wissen, dass Eleanor an ihrem Treffpunkt vorbeigehen und das Zeichen sehen würde, dass er an sie dachte. Eleanor wusste natürlich, dass er jemanden geschickt hatte, einen Botenjungen vielleicht, um die Rose für sie zu hinterlassen, dennoch hatte diese Geste es nie verfehlt, ihr das Herz schmelzen zu lassen. Sie hatte die Blume genommen und mit nach Hause genommen, wo sie sie an Hart erinnerte, bis sie sich wiedertrafen.
Der Charmeur,
dachte Eleanor.
Auf diese Weise hat er es mir unmöglich gemacht, mich zu ärgern, wenn seine geschäftlichen Angelegenheiten wieder einmal Vorrang hatten.
Die kleine Blume mit ihrer verborgenen Bedeutung hatte ihr das Herz mehr gewärmt als jedes Entschuldigungsschreiben es hätte tun können, und Hart hatte das gewusst.
Selbst jetzt noch, bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen sie in Edinburgh oder London gewesen war, hatte sie
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