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Der dunkle Herzog

Der dunkle Herzog

Titel: Der dunkle Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Ashley
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Hinter jener Tür hatte er Ian gefunden, schlafend und besudelt vom Blut der jungen Frau. Er erinnerte sich an sein Entsetzen, seine Angst, dass Ian einen Mord begangen hatte. Hart hatte alles in seiner Macht Stehende getan, Ian vor der Polizei zu schützen, aber er hatte auch zugelassen, dass seine tief sitzende Angst ihn über Jahre blind für das gemacht hatte, was wirklich in diesem Schlafzimmer geschehen war.
    Er hätte nicht herkommen sollen. Das Haus barg zu viele Erinnerungen.
    Hart öffnete die Tür zum Schlafzimmer – und verharrte überrascht.
    Ian MacKenzie stand mitten im Zimmer und starrte zur Decke hoch, die mit Nymphen und umherspringenden Göttern bemalt war. An der Decke befand sich ein Spiegel, genau über der Stelle, an der einst das Bett gestanden hatte.
    Ian starrte hinauf und beobachtete sein Spiegelbild. Er musste Hart kommen gehört haben, denn er sagte: »Ich hasse diesen Raum.«
    »Warum zum Teufel bist du dann hier?«
    Ian antwortete nicht sofort auf die Frage, aber das tat er schließlich nie. »Sie hat meiner Beth wehgetan.«
    Hart betrat das Zimmer und wagte es, seinem Bruder die Hand auf die Schulter zu legen. Er erinnerte sich daran, wie er Angelina und Beth gefunden hatte, Beth kaum noch am Leben. Angelina, im Sterben liegend, hatte Hart gestanden, was sie getan hatte, und dass sie alles nur für ihn getan hätte. Die Erklärung hinterließ noch immer einen bitteren Geschmack in seinem Mund.
    »Es tut mir leid, Ian«, sagte Hart. »Das weißt du.«
    Einem Blick standzuhalten außer dem von Beth war noch immer schwierig für Ian, aber jetzt wandte er den Blick vom Spiegel ab und richtete ihn auf Hart. Hart sah in Ians Augen, dass er die Angst und die Qual noch einmal durchlebte. In jener Nacht hätten sie Beth fast verloren.
    Hart drückte Ians Schulter. »Aber jetzt geht es Beth gut. Sie ist in deinem Haus in Schottland, sicher und wohlauf. Mit deinem Sohn und deiner neugeborenen Tochter.« Isabella Elizabeth MacKenzie war im letzten Sommer zur Welt gekommen. Sie alle nannten sie Belle.
    Ian entzog sich Harts Griff. »Jamie läuft jetzt überall herum. Und er spricht. Er kennt so viele Worte. Er ist nicht wie ich.« In seiner Stimme schwang Stolz mit.
    »Warum bist du eigentlich nicht in Schottland bei deiner geliebten Frau und den Kindern?«, fragte Hart.
    Ian richtete den Blick erneut auf den Deckenspiegel. »Beth meinte, ich sollte nach London fahren.«
    »Warum? Weil Eleanor hier ist?«
    »Ja.«
    Du lieber Gott, diese Familie
. »Ich wette, Mac ist losgestürmt und hat Beth ein Telegramm geschickt, sobald Eleanor hier aufgetaucht ist«, sagte Hart.
    Ian antwortete nicht, aber Hart wusste auch so, dass er Recht hatte.
    »Aber warum bist du hergekommen?«, fragte Hart weiter. »In dieses Haus, meine ich?« Ian zog es manchmal an die Orte zurück, die ihm Angst gemacht oder ihn verwirrt hatten, wie zum Beispiel das private Arbeitszimmer seines Vaters auf Kilmorgan, in dem er Zeuge geworden war, wie ihr Vater ihre Mutter in einem Anfall von Jähzorn getötet hatte. Nach Ians Entlassung aus der Nervenheilanstalt hatte Hart ihn sehr oft in diesem Zimmer gefunden. Ian hatte zusammengekauert hinter dem Schreibtisch gehockt, dort, wo er sich an jenem verhängnisvollen Tag versteckt gehalten hatte.
    Ian hielt den Blick auf den Spiegel gerichtet, als würde er ihn faszinieren. Hart dachte daran, dass Ian niemals eine Lüge aussprach, und dass er gelernt hatte, sehr gut damit umgehen zu können, Fragen einfach nicht zu beantworten.
    Oh, verdammte Hölle
. »Ian«, sagte Hart, und seine Wut brandete hoch mit der Macht eines Albtraums. »Sag mir, dass du sie nicht hierhergebracht hast.«
    Ian wandte den Blick endlich vom Spiegel ab, aber er sah Hart nicht an. Er schlenderte durch das Zimmer zum Fenster und schaute hinaus in den Nebel, sein Rücken so gerade wie der seines Bruders.
    Hart wandte sich ab und trat in den Korridor. Er legte die Hände um den Mund und rief:
»Eleanor!«

5
    Der Ruf hallte die Treppe hinunter und hinauf und schwang sich hoch zu den gemalten Cherubim, die unter dem Dach des Hauses lauerten.
    Schweigen.
    Schweigen bedeutete gar nichts. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, erklomm Hart die Treppe zum nächsten Stockwerk.
    Eine der Türen, die vom Treppenabsatz abgingen, stand einen Spaltbreit offen. Hart stieß die Tür mit solcher Wucht auf, dass sie gegen die schwere Kommode schlug, die halb davor stand. Jemand hatte die überzähligen Möbel in dieses Zimmer

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