Der dunkle Herzog
Männer für sich aus, und Hart nahm seine Suche wieder auf.
Auf der Westseite des Kanals ritt er den langen dunklen Treidelpfad entlang, der parallel dazu verlief.
Verdammt, Ian. Warum musstest du dich gerade jetzt auf eine deiner Wanderungen machen?
Es war zu dunkel, um schnell zu reiten, und ein Fehltritt hätte leicht Hart oder seinem Pferd oder den Männern, die ihm folgten, einen Sturz in den Kanal beschert. Er versuchte, aufzupassen, aber alles in ihm drängte vorwärts
,
weiter, weiter, weiter.
Sie ritten durch Little Bedwyn und Great Bedwyn und passierten Wilton und Crofton. Kein Ian MacKenzie. Kein hochgewachsener Schotte, der auf das Wasser starrte, das durch die Schleusentore wirbelte, oder der müßig angelte oder ruhelos am Ufer auf und ab ging.
Ian konnte überall sein. Er konnte sich in einer Scheune zum Schlafen hingelegt haben oder auf einen Zug geklettert und auf dem Weg nach Gott weiß wohin sein. Ian folgte keinen Regeln außer seinen eigenen, und er würde sich nicht damit aufhalten, eine Fahrkarte für den Zug zu kaufen, ehe er darinnen saß. Vielleicht würde er Beth telegrafieren und ihr mitteilen, wo er war, aber bis dahin konnte einige Zeit vergehen. Ian selbst würde natürlich wissen, dass er wohlauf war, aber er dachte nicht immer daran, es auch anderen mitzuteilen, oder er verstand nicht die Notwendigkeit, es zu tun. Ian ging mit alldem besser um, seit er mit Beth zusammen war, aber es gefiel ihm noch immer, manchmal einfach zu verschwinden.
Als Kind war Ian vor Menschenmengen geflüchtet, die ihm Angst gemacht hatten, sogar vom Abendbrottisch in Kilmorgan war er davongelaufen, fort, nur fort, um sich von den Schrecken zu befreien, die er nicht verstand. Hart würde ihm folgen, ihn finden und schweigend bei ihm sitzen, bis Ian sich beruhigt hätte. Nur Hart konnte Ians Angsttränen und heftige Wutanfälle zum Versiegen bringen. Nur Hart durfte tröstend den Arm um Ians Schultern legen – für den kurzen Moment, den Ian dies zuließ – und ihm versichern, dass er nicht allein sei.
In der ersten Zeit nach seiner Rückkehr aus der Nervenheilanstalt war Ian oft aus dem Haus gegangen und tagelang fortgeblieben. Hart war vor Sorge fast verrückt geworden, aber Ian war immer zurückgekommen, nach seiner eigenen Zeit. Hart hätte Ian anschreien und ihm befehlen können, so etwas nicht wieder zu tun. Ian hätte ihm mit abgewandtem Blick stumm zugehört, aber wenn Ian dann entschied, dass er wieder für sich allein sein musste, dann ging er einfach. Alles Schreien und Brüllen der Welt würde seinen Entschluss nicht ändern.
Jetzt lagen die Dinge anders. Ian hatte Beth, und sein Bedürfnis, sich zurückzuziehen, war keineswegs mehr so stark wie früher. Ian mochte es nicht, zu lange Zeit von Beth und seinen Kindern getrennt zu sein, und er blieb die meiste Zeit zu Hause. In ihrer Nähe fühlte er sich getröstet.
Warum also war er dieses Mal fortgegangen?
Ich werde niemals zulassen, dass dir etwas geschieht, Ian MacKenzie
, schwor Hart sich, während er durch ein weiteres Dorf ritt.
Ich habe es dir versprochen, und ich werde dieses Versprechen bis zu meinem Tod halten.
Hart wurde von seinen Begleitern getrennt. Er war nicht sicher, wann es geschehen war, aber in der Dunkelheit musste er über eine der Kanalbrücken geritten sein, ohne dass seine Männer es gesehen hatten, oder sie hatten eine Brücke benutzt, von der sie angenommen hatten, Hart hätte diesen Weg gewählt.
Hart erwog, zurückzureiten, entschied sich dann jedoch dagegen. Er hatte heute nichts entdeckt, was darauf hingewiesen hätte, dass Attentäter hinter einem Busch lauerten, und niemand, mit dem er gesprochen hatte, hatte Fremde in der Gegend bemerkt. Seine Männer würden zu ihm aufschließen, sobald sie es konnten.
Das Fehlen einer offensichtlichen Bedrohung minderte Harts Sorgen um seinen Bruder jedoch nicht. Er suchte weiter.
Er ritt durch stille Dörfer, schaute in den örtlichen Pubs nach, fragte auf Farmen, ob ein Gentleman dort um ein Nachtlager gebeten hatte. Die meisten Leute in der umliegenden Gegend kannten Ian oder hatten zumindest von ihm gehört, aber niemand konnte ihm weiterhelfen.
Eine Kirchturmuhr schlug vier, als Hart über eine weitere Kanalbrücke ritt. Er war erschöpft, und seine Männer hatten nicht zu ihm aufgeschlossen. Vermutlich waren sie nach Waterbury zurückgekehrt. Harts Muskeln schmerzten von dem langen Tag im Sattel, und seine Augen fielen ihm, trotz seiner Versuche, sie offen
Weitere Kostenlose Bücher