Der dunkle Highlander
keine Originale - die waren vermutlich in der Royal Irish Academy oder in der Blibliothek des Trinity College sicher verwahrt aber doch immerhin prachtvolle Abschriften aus dem späten Mittelalter. Eines der Bücher lag aufgeschlagen da. Chloe erblickte eine Seite mit einer wunderschönen irischen Großbuchstabenschrift. Der erste Buchstabe des Textes war mit ineinander verschlungenen, typisch keltischen Mustern prächtig verziert.
Da waren Abschriften von Lebor Laignech - dem Buch von Leinster-, Leborna hUidre- dem Buch von Dun Cow -, Lebor Gabäla Erenn - dem Buch der Invasionen - und einige weniger bekannte Texte aus dem Mythologischen Zyklus.
Faszinierend. All diese Texte befassten sich mit den frühesten Anfängen von Eire beziehungsweise Irland. Geschichten über die Partholonians, Nemedians, Fir Bolg, Tuatha De Danaan und Milesians. Legenden voller Magie, die unter Gelehrten viel diskutiert wurden.
Warum wollte er diese Texte haben? Verkaufte er sie weiter, um seinen kostspieligen Lebensstil zu finanzieren? Es gab Privatsammler, die es keinen Deut scherte, woher die einzelnen Stücke kamen, solange sie nur in ihren Besitz gelangten. Für gestohlene Kunstgegenstände gab es immer einen Abnehmer.
Aber das gälische Gespenst besaß nur keltische Objekte. Und die Sammler, die er um diese Bücher erleichtert hatte, rühmten sich, noch weitaus kostbarere Stücke aus anderen Kulturen zu besitzen. Die hatte er sich jedoch nicht angeeignet.
Demnach war er sehr wählerisch, aus welchen Gründen auch immer, und der Wert der Objekte war für ihn nicht ausschlaggebend.
Chloe schüttelte verwirrt den Kopf. Das alles ergab keinen Sinn. Wie konnte sich ein Dieb nicht für den Wert seiner Beute interessieren? Wie konnte ein Dieb weniger gewinnbringende Bücher stehlen und Dutzende Kunstgegenstände von höherem Wert zurücklassen, wenn er sich einmal die Mühe gemacht hatte, die Absicherungen zu überwinden? Und wie war es ihm eigentlich gelungen, die Sicherheitssysteme außer Gefecht zu setzen? Die Sammlungen, in denen er sich bedient hatte, waren mit den ausgeklügeltsten Alarmanlagen der Welt ausgestattet. Nur ein Genie konnte diese Anlagen austricksen.
Plötzlich ging die Tür auf. Chloe zuckte hastig, bewegte sich vom Bettrand weg und setzte eine Unschuldsmiene auf.
»Mädchen, hast du Hunger?«, fragte er mit seiner tiefen, kehligen Stimme und spähte durch den Türspalt zu ihr.
»W-was?« Chloe blinzelte. Dieses heimtückische Mannsbild wollte ihr sogar etwas zu essen geben?
»Ob du Hunger hast. Ich mache mir gerade was zu essen, und da dachte ich, du bist vielleicht auch hungrig.«
Chloe überlegte. Hatte sie Hunger? Sie war vollkommen daneben. Und sie würde bald die Toilette aufsuchen müssen. Ihre Nase juckte entsetzlich, und ihr Rock war ganz nach oben gerutscht.
Und zu alldem kam, ja, der Hunger.
»Mhm«, brummte sie matt.
Erst als er wieder verschwunden war, kam ihr der Verdacht, das könnte vielleicht seine Methode sein, sie zu beseitigen - mit Gift!
4
Pochierter Lachs, Petersilienkartoffeln und ein gemischter Salat mit Nüssen und Preiselbeeren. Eine Platte mit schottischen Käsesorten, Teekuchen und Marmelade. Perlender Wein in Baccarat-Kelchen.
Tod durch köstliche schottische Küche und edles Kristall? »Ich dachte, ich bekomme ein Erdnussbutter-Sand- wich oder so was«, bemerkte Chloe argwöhnisch.
Dageus stellte das Tablett aufs Bett und betrachtete sie. Jeder Muskel in ihm spannte sich an. Himmel, da saß sein Wirklichkeit gewordener Traum gefesselt auf seinem Bett. Sie bestand nur aus sanften Kurven, ihr Rock bedeckte die süßen Schenkel kaum noch und bot ihm reizvolle, verbotene Einblicke. Ein enger Pullover schmiegte sich um runde Brüste, ihre Locken waren zerzaust, und die großen Augen blitzten temperamentvoll. Er hatte keinerlei Zweifel, dass sie noch Jungfrau war. Das hatte ihm ihre Reaktion auf den flüchtigen Kuss verraten. Er hatte noch nie ein Mädchen wie sie in seinem Bett gehabt. Nicht einmal in seinem eigenen Jahrhundert, in dem die anständigen Mädchen einen weiten Bogen um die Keltar-Brüder gemacht hatten. In den Highlands war viel über »diese ketzerischen Hexenmeister« gemunkelt worden. Aber erfahrene, verheiratete Frauen und Dirnen waren ganz versessen darauf gewesen, bei ihnen zu liegen. Allerdings hatten sie dauerhaftere Bande abgelehnt.
Die Gefahr zieht die Frauen an, aber sie denken nicht daran, mit ihr zu leben, hatte Drustan einmal mit einem bitteren
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