Der dunkle Highlander
etwa nicht?
Es wäre naiv und dumm, sich keine Informationen zu verschaffen.
Ihr Finger näherte sich der Taste. Zögerte, und ... gerade, als sie auf die Taste drücken wollte, klingelte das Telefon so laut, dass Chloe erschrocken einen Schrei ausstieß. Ihr Herz pochte, und sie floh ins Arbeitszimmer, weil sie sich ertappt fühlte. Doch dann machte sie mit einem ärgerlichen Schnauben auf dem Absatz kehrt und stellte den AB auf laut.
Wieder Katherine. Mit vor Erotik triefender Stimme.
Mit finsterer Miene stellte sie den Ton ab. Nein, das würde sie sich nicht anhören. Sie brauchte keine weiteren Hinweise darauf, dass sie eine unter vielen war.
Ein paar Minuten später loggte sie sich ins Internet ein und tippte flink folgende Zeilen:
Lieber Tom,
meine Tante Irene (Gott mochte ihr vergeben - sie hatte gar keine Tante) ist plötzlich krank geworden, und ich musste unverzüglich nach Kansas. Tut mir Leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe, aber der Zustand meiner Tante ist kritisch, und ich war die ganze Zeit bei ihr im Krankenhaus. Ich weiß nicht genau, wann ich zurückkomme. Möglicherweise bin ich für ein paar Wochen oder länger hier in Kansas. Ich versuche, Sie anzurufen. Chloe
Wie gut ich lügen kann, dachte sie verwundert. Sie rauchte Zigarren, nahm Bestechungsgeschenke an und log, dass sich die Balken bogen. Was war bloß los mit ihr?
Dageus MacKeltar war in ihr Leben getreten. Sie las die E-Mail noch ein paarmal durch und sandte sie dann ab. Sie starrte lange auf die Meldung »Nachricht gesendet«. Nun hatte sie also endgültig Tatsachen geschaffen. Da hörte sie, wie die Wohnugstür leise auf- und wieder zuging. Er war schon zurück! Hastig schaltete Chloe den
Computer aus. Sie brauchte zwar kein schlechtes Gewissen zu haben, aber sie wollte einer ermüdenden Diskussion aus dem Weg gehen. Insbesondere, nachdem sie um ein Haar seine Nachrichten abgehört hätte. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn er sie dabei erwischt hätte! Sie wäre vor Scham im Boden versunken.
Chloe atmete tief durch, setzte eine Unschuldsmiene auf, rief: »Bist du schon zurück?«, und schlenderte aus dem Arbeitszimmer. Im nächsten Moment schnappte sie erschrocken nach Luft und huschte zur Küchentür.
Ein Mann in dunklem Anzug stand im Wohnzimmer und sah sich die Bücher an, die auf dem Kaffeetisch lagen. Er war mittelgroß, drahtig und hatte kurzes braunes Haar. Er war gut angezogen und wirkte kultiviert.
Offenbar war sie nicht die Einzige, die ungebeten in das unversperrte Penthouse marschierte. Dageus sollte die Tür wirklich abschließen, ging es ihr durch den Kopf. Was, wenn sie noch unter der Dusche gestanden hätte oder nur in ein Handtuch gehüllt die Treppe heruntergekommen wäre und plötzlich vor einem Wildfremden gestanden hätte? Sie wäre wahrscheinlich vor Schreck tot umgefallen.
Der Mann hörte ihr entsetztes Keuchen und drehte sich zu ihr um. »Tut mir Leid, wenn ich Sie erschreckt habe, Ma'am«, entschuldigte er sich höflich. »Ist Dageus MacKeltar zu Hause?«
Britischer Akzent. Und ein komisches Tattoo am Hals, das nicht zu seiner sonstigen Aufmachung pass- te. Er war nicht der Typ für Tattoos.
»Ich habe Ihr Klopfen nicht gehört«, sagte Chloe einlenkend; denn der Eindringling hatte sein Kommen vermutlich gar nicht angekündigt. »Sind Sie ein Freund von Dageus MacKeltar?«
»Ja. Mein Name ist Giles Jones. Ist er da?«
»Im Moment nicht, aber ich richte ihm gern aus, dass Sie hier waren.« Sie musterte ihn - ihre Neugier erlahmte nie. Ein Freund von Dageus. Was könnte er ihr über ihn erzählen? »Sind Sie ein enger Freund?«, hakte sie nach.
»Ja.« Er lächelte. »Und wer sind Sie? Ich kann nicht glauben, dass er mir nichts von einer so hübschen Frau erzählt hat.«
»Chloe Zanders.«
»Ah, er hat einen exquisiten Geschmack«, lobte Giles leise.
Sie wurde rot. »Danke.«
»Wo ist er hingegangen? Kommt er bald zurück? Könnte ich auf ihn warten?«
»Es wird etwa noch eine Stunde dauern. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
»Eine Stunde?«, wiederholte er. »Sind Sie sicher? Vielleicht warte ich besser; er könnte ja auch früher zurück sein.« Er sah sie fragend an.
Chloe schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das wird nicht der Fall sein, Mr. Jones. Er besorgt ein paar Sachen für mich; wir reisen gegen Abend nach Schottland ab, und ...«
Sie brach ab, als sie die Veränderung an dem Mann wahrnahm.
Das entwaffnende Lächeln war wie weggeblasen, und der
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