Der dunkle Highlander
Vaters war eindeutig - er glaubte nicht daran, dass es noch Hoffnung gab. Dageus war zu den Steinen geflohen, fest entschlossen, eine Möglichkeit zur Rettung seiner Seele zu finden.
Und jetzt schloss sich der Kreis - er kam zurück, um seinen Clan um Hilfe zu bitten. Das widerstrebte ihm. Er hatte noch nie in seinem Leben um Hilfe gebeten, nicht ein einziges Mal. Das war nicht seine Art.
Er stieß den Atem aus den Lungen und nahm den Scotch entgegen, den die Flugbegleiterin brachte. Er trank das Glas in einem Zug aus. Als sich die Hitze in seinem Körper ausbreitete, drückte zunächst eine Last auf seine Brust, dann entspannte er sich. Was konnte er sagen? Wie sollte er anfangen? Vielleicht wäre es günstiger, sich erst an Gwen zu wenden. Sie konnte bei seinem Bruder Wunder tun, weibliche Wunder. Sie war für Drustan weiß Gott ein wahres Wunder.
Er spielte flüchtig etliche Möglichkeiten der Annäherung durch, hatte aber nicht den Nerv, sich eingehend damit zu befassen. Also widmete er sich wieder dem Text. Er brauchte etwas Greifbares, mit dem er arbeiten konnte.
Kurz vor der Landung hielt Dageus inne und legte die Hand auf sein Notizbuch. Er war endlich auf etwas Interessantes gestoßen. Auf eine Stelle, die den schicksalhaften Krieg erwähnte, der nach dem Weggang der Tuatha De Danaan stattgefunden hatte. Es war nur ein kurzer Absatz, in dem von dreizehn ausgestoßenen Druiden (so viele wohnten also in ihm!) die Rede war, und von einer schrecklichen Strafe, die ihnen auferlegt wurde. Es gab dazu zwar keine weiteren Ausführungen, aber es wurde auf das fünfte Buch der Manannän verwiesen. Wie er von Anfang an vermutet hatte.
Wenn ihn sein Gedächtnis nicht trog, befand sich der fünfte Band in der umfangreichen Bibliothek der MacKeltar.
Chloe murmelte leise im Schlaf. Er sah sie an und musste daran denken, dass jemand versucht hatte, sie umzubringen - seinetwegen. Sein Blick fiel auf ihre bandagierte Hand, und der Wunsch, sie vor allen Gefahren zu schützen, wurde noch stärker. Er würde nicht zulassen, dass ihr noch einmal ein Leid geschah.
Er brauchte Antworten, und zwar rasch.
11
Zum zweiten Mal in zwei Tagen machte Chloe eine ausgesprochen irritierende Erfahrung. Sie ging an Dageus MacKeltars Seite durch eine belebte Straße, und es geschah genau dasselbe wie gestern in Manhattan: Die Menschen machten ihm Platz.
Nicht weil er unhöflich war oder sich rüde durch die Menge drängelte. Im Gegenteil, er bewegte sich mit der Anmut eines Tigers. Mit sicherem Schritt.
Die Männer wichen ihm instinktiv aus und machten einen weiten Bogen um ihn. Die Frauen benahmen sich anders. Das war das Irritierende. Sie reagierten hier genauso wie in New York - aber gestern hatte sich Chloe noch nicht daran gestört. Sie traten zwar zur Seite, aber nur ein bisschen - als könnten sie der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu streifen. Außerdem drehten sie sich noch ein-, zweimal nach ihm um. Eine hatte im Vorbeigehen schamlos ihre Brüste gegen seinen Arm gedrückt. Mehrmals sah Chloe entrüstet über die Schulter, nur um festzustellen, dass e tl iche von ihnen ihm noch nachglotzten. Sie mochte ja klein sein, aber sie war verdammt noch mal nicht unsichtbar. Sie ging neben ihm, er hatte den Arm um sie gelegt!
Ihm selbst fiel gar nicht auf, dass sich die Frauen die Hälse nach ihm verrenkten. Er schien nicht zu merken, welche Wirkung er auf das weibliche Geschlecht ausübte. Vielleicht war er so sehr daran gewöhnt, dass er es gar nicht mehr wahrnahm.
Eine solche Fähigkeit des Ignorierens konnte sich Chloe nur wünschen. Ihre Laune sank beträchtlich, als sie diese unverschämt begehrlichen Blicke sah, und oft funkelte sie die Frauen böse an.
Die ungeheure Nähe und Intimität im Flugzeug hatten gefährlich sentimentale Gefühle in ihr ausgelöst.
Sieh der Wahrheit ins Auge, Zanders, du bist keine von denen, die sich auf körperliche Intimität einlassen, ohne emotional beteiligt zu sein. So bist du nicht gestrickt.
Was du nicht sagst!, dachte sie missmutig. Sie erhob sozusagen territoriale Ansprüche. Ansprüche, die sie sich nicht leisten konnte, denn Dageus empfand offensichtlich nicht wie sie. Zum Glück machte ihr Arger über die dreisten Frauen auf der Straße mit den sanfteren Gefühlen kurzen Prozess. Chloe nährte den Zorn sogar, um sich nicht mit ihren unbestimmten Emotionen auseinander setzen zu müssen. Wut war etwas erfrischend Greifbares.
Seit sie in Inverness aus dem Flugzeug gestiegen waren,
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