Der dunkle Punkt
Garantie von dreißig Tagen. Innerhalb dieser Frist können Sie uns defekte Stücke zurückschicken. Sie erhalten dafür ein neues Paar in derselben Farbe. Porto und Zollgebühren gehen zu unseren Lasten.
Falls Sie unser Angebot interessiert, brauchen Sie lediglich Ihren Namen und die genaue Anschrift sowie die Größe und Farbe der gewünschten Strümpfe auf dem beiliegenden Bestellschein einzutragen. Stecken Sie ihn in den beigefügten Umschlag und werfen Sie ihn in den Briefkasten. Sie verpflichten sich damit zu nichts.««
»Ist das alles?« murmelte das Mädchen und sah auf.
»Ja. Unterschrift: >Amex-Strumpfimport<. Außerdem müssen Sie den Bestellschein und eine Farbskala entwerfen.«
»Wieviel Exemplare benötigen Sie?«
»Tausend Stück. Aber vorher hätte ich ganz gern zwei Muster.«
»In Ordnung.« Sie betrachtete mich forschend. »Und jetzt möchte ich wissen, was Sie mit diesem Schwindel bezwecken?«
Ich starrte sie stumm an.
»Nun, wann sind jemals Strümpfe aus Japan importiert worden?«
Ich grinste. »Sie sind ein verdammt helles Mädchen. Hoffentlich sind die Leute, die die Briefe bekommen, nicht so auf Draht. Ich bin Privatdetektiv und möchte jemanden hinter einer Deckadresse hervorlocken.«
Sie musterte mich von oben bis unten. Das verdutzte Staunen in ihren Augen verwandelte sich in stille Hochachtung. »Donnerwetter! Der Trick ist gut. Sie sind also Detektiv?«
»Ja, und sagen Sie mir nicht, daß man mir das nicht ansieht. Ich hab’s allmählich satt, mir das unter die Nase reiben zu lassen.«
»Machen Sie sich nichts daraus! In Ihrem Beruf ist das ein Aktivposten. Sie sollten stolz drauf sein. Wieviel Exemplare brauchen Sie nun wirklich?«
»Nur zwei. Die Briefe können ruhig ein bißchen verschmiert und unscharf sein, damit die Empfänger sich einbilden, es wären die letzten zwei von ein paar tausend. Sie können auch gleich die Umschläge adressieren. Der eine geht an Edna Cutler, 935 Turpitz-Gebäude, Little Rock, Arkansas, und der andere an Bertha Louise Cool, Drexel-Gebäude, Los Angeles.«
Sie lachte und schwenkte die Schreibmaschine zu sich herum. »Sie sind wirklich gelungen. Kommen Sie in einer halben Stunde wieder her. Dann hab’ ich sie fertig.« Sie zog eine Matrize ein und begann sofort wie wild zu tippen.
Ich schlenderte ein Stück die Straße entlang, kaufte mir eine Zeitung, setzte mich in eine Imbißstube und studierte den Mordbericht.
Obwohl über den Fall noch nicht viel bekannt war, erwies er sich jetzt schon als Knüller. Paul G. Nostrander, ein vielversprechender junger Anwalt, war in der Wohnung von Roberta Fenn erschossen aufgefunden worden. Das Mädchen arbeitete als Sekretärin bei einer Bank und war spurlos verschwunden. Die Polizei hatte die Wohnung durchsucht und festgestellt, daß Miss Fenn nichts mitgenommen hatte, nicht einmal ihre Handtasche. Die Tasche lag in ihrem Schlafzimmer auf dem Toilettentisch und enthielt außer dem Geld auch die Haus- und Wohnungsschlüssel. Man rechnete damit, daß sich das Mädchen innerhalb von vierundzwanzig Stunden der Polizei stellen würde, sofern es nicht vom gleichen Schicksal betroffen worden war wie Paul Nostrander. Die Beamten von der Mordkommission vertraten offenbar zwei Theorien: erstens, daß der Mörder Roberta Fenn mit Waffengewalt entführt hatte, oder zweitens, daß Miss Fenn gegen Morgen nach Haus gekommen war, beim Anblick der Leiche von Panik er’aßt wurde und Hals über Kopf flüchtete. Es gab natürlich noch die dritte Möglichkeit, daß Roberta selbst den Anwalt umgelegt und sich danach aus dem Staube gemacht hatte.
Anscheinend leuchtete der Polizei die gewaltsame Entführung am meisten ein.
Im Zusammenhang mit dem Mord fahndete man nach einem gut aussehenden jungen Mann in einem graukarierten Zweireiher, der Roberta Fenn am Abend vorher von der Arbeit abgeholt hatte. Zeugen hatten beobachtet, daß die beiden in einem Taxi davonfuhren. Die Polizei hatte eine recht genaue Personenbeschreibung von ihm: Größe ein Meter achtundsechzig; Gewicht zirka hundertdreißig Pfund; dunkles, gewelltes Haar; scharfe graue Augen; etwa neunundzwanzig Jahre alt; grauer Doppelreiher, braun-weiße Sportschuhe.
Nostrander war seit fünf Jahren als Anwalt tätig. Er war dreiunddreißig Jahre alt, und seine Kollegen rühmten vor allem seine außergewöhnliche geistige Wendigkeit und sein Fingerspitzengefühl in heiklen Fällen. Er war unverheiratet und hatte keine Verwandten außer einem älteren Bruder,
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