Der dunkle Ritter (German Edition)
schloss der Priester die Tür vor dem Soldaten, der völlig überrumpelt zurückblieb.
»Father Bryce«, flüsterte Emmalyn und begrüßte ihn voller Freude, wobei ihr Blick immer wieder zu der merkwürdigen kleinen Gestalt an seiner Seite abschweifte. Fallonmour hatte nur einen Priester, und sie hatte noch nie von diesem Bruder George gehört, dessen Gesicht sie nicht zu erkennen vermochte. »Was geht hier vor, Father? Hat Bertie Euch geschickt?«
»Aye, mein Mädchen, das hat sie«, wisperte der alte Priester. »Aber wir müssen schnell handeln, wenn wir hier herauskommen wollen. Kommt beide von der Tür weg.«
Emmalyn folgte seiner Anweisung und sah verblüfft zu, wie »Bruder George« seine verhüllenden Gewänder abzulegen begann und binnen weniger Augenblicke Nell vor ihr stand. Das junge Mädchen war in eine rostbraune Tunika gekleidet, sehr ähnlich der, die Emmalyn jetzt trug, ihr blondes Haar war zu einem Zopf geflochten, der nur ein kaum wahrnehmbares Stück kürzer war als der Emmalyns. »Hier, Mylady, zieht das an! Schnell!«
Getrieben von der gebotenen Eile schlüpfte Emmalyn rasch in die Kutte, während Father Bryce begann, auf Lateinisch aus der Bibel zu rezitieren. Dabei sprach er laut genug, dass seine Stimme bis nach draußen zu dem Wachposten dringen konnte. Während er das tat, erklärte Nell – mit einer Stimme, die kaum lauter als ein Wispern war – Emmalyn den Plan, wie sie aus der Burg hinausgelangen sollte. »Als Bruder George gekleidet, werdet Ihr mit Father Bryce aus dem Zimmer gehen und die Burg durch den hinteren Eingang des Turmes verlassen.«
»Aber zur Hintertreppe zu gehen bedeutet, an dem Zimmer vorbeizumüssen, das Hugh sich genommen hat«, sagte Emmalyn. »Wir werden niemals an ihm vorbeikommen. Er wird dieser Verkleidung misstrauen.«
Nell schüttelte den Kopf. »Darum haben wir uns bereits gekümmert, Mylady. Der Hintereingang ist der einzige Weg aus der Burg, es sei denn, Ihr haltet es für möglich, an den Wachposten im Torhaus vorbeizukommen.«
»Nein, es ist ein zu großes Risiko, dann wären wir ja direkt in ihrer Schusslinie. Ich stimme dir zu, dass der hintere Eingang die einzige Möglichkeit ist.«
»Father Bryce hat es arrangiert, Euch in die Abtei von Wexley zu schicken, knapp vier Stunden von hier entfernt. Der Bischof der Königin residiert dort im Sommer. Schildert ihm Eure Lage; er wird sich um Eure Sicherheit kümmern und eine Mitteilung über Hughs Ungehorsam nach London schicken.«
»Aber was ist mit Cabal?«, fragte Emmalyn verzweifelt. »Und was ist mit dir, Nell? Was ist mit den anderen hier in Fallonmour? Ich kann doch nicht einfach fortgehen und mich retten und Hugh Rache an euch nehmen lassen, die ihr mir bei der Flucht geholfen habt.«
Nell blickte sie nur stumm an, aber im nächsten Augenblick flüsterte Father Bryce drängend: »Wir haben keine Zeit mehr. Nell, nimm deinen Platz neben dem Bett ein. Lady Emmalyn, kniet vor mir nieder und beugt den Kopf wie zum Gebet.«
Sie hatten kaum ihre Plätze so eingenommen, wie Father Bryce es ihnen gesagt hatte, als die Tür geöffnet wurde und der Wachmann sich räusperte, um sich bei dem Priester bemerkbar zu machen, der ein Gebet murmelte. »Ihr habt Zeit genug gehabt, Trost zu spenden, Father. Hinaus jetzt mit euch, alle beide.«
»Betet noch ein wenig, Mylady«, sagte Father Bryce zu Nell, während er sich erhob. »Gott sei mit Euch, Kind.«
»Und mit Euch, Father«, sagte Nell leise.
»Kommt jetzt, Bruder George.« Emmalyn spürte, dass die Hand des Priesters ihren weiten Ärmel packte, und bevor sie wusste, wie es geschah, hatte sie mit ihm bereits die Türschwelle ihres Zimmers überschritten und war auf den Gang hinausgetreten, den Kopf gesenkt, einen Schritt näher zur Freiheit. Einen Schritt weiter fort von Cabal. »Hier entlang, Bruder«, sagte Father Bryce, als Emmalyn auf dem Gang stehen bleiben wollte, um darüber nachzudenken, was sie wohl als Nächstes erwartete.
Mit einem drängenden Ziehen an ihrem Ärmel und hastigen, schlurfenden Schritten führte der alte Priester sie den von Fackellicht erhellten Korridor hinunter auf Garretts Zimmer zu, das Zimmer, das Hugh bei seiner Ankunft für sich in Anspruch genommen hatte. Die Tür stand weit offen, und Lichtschein fiel auf den Gang. Die Szenerie kam Emmalyn bekannt vor, brachte das Bild der Nacht zurück, als sie sich an dieselbe Stelle auf dem Flur geschlichen hatte, langsam weitergegangen war bis zu dem Zimmer, in dem Cabal
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