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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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in einem Jahr, in dem man in Orange County mit dem Ausbruch einer Meningitisepidemie rechnete, deren Erreger vornehmlich von Moskitos übertragen wurde. Als sie festgestellt hatten, um was für ein Insekt es sich handelte, und ihr erklärt hatten, dass es harmlos und außerdem nützlich war, da hatte Thelma jenen Satz ausgesprochen, der nun für Arctor und seine Freunde zu einem geflügelten Wort geworden war – zu einem geflügelten Wort, das wie ein in flammenden Buchstaben geschriebenes Motto über allem stand, was sie fürchteten und verabscheuten:
     
    WENN ICH GEWUSST HÄTTE, DASS ES HARMLOS WAR, HÄTTE ICH ES SELBER UMGEBRACHT!
     
    Diese Bemerkung brachte in ihren Augen all das auf einen Nenner, worauf sich der Argwohn gründete, den sie gegenüber ihren Feinden unter den Spießern empfanden, mal angenommen, sie hatten Feinde. Thelma Kornford jedenfalls, dieses wohlerzogene Geschöpf, das alle Segnungen des Reichtums genoss, war sofort zum Feind geworden, als sie diese Worte ausgesprochen hatte. Und zu Thelmas Verblüffung waren sie auf der Stelle aus dem Apartment gelaufen und in ihre eigene, abfallübersäte Bude zurückgekehrt. In diesem einen Augenblick war der Abgrund offenkundig geworden, der zwischen der Welt Bob Arctors und seiner Kumpel und der Welt Thelmas klaffte – und dieser Abgrund war geblieben, auch wenn die drei nach wie vor darüber nachdachten, wie sie Thelma mal flachlegen konnten. Thelmas Herz, überlegte Arctor, war wie eine leere Küche: Fußbodenkacheln und Wasserrohre und eine blank gescheuerte Spüle und ein neben dem Ausguss stehen gelassenes Glas, um das sich niemand kümmerte.
    Einmal, bevor er endgültig nur noch als Undercoverermittler arbeitete, hatte er die Schadensmeldung eines betuchten Spießerehepaares aufgenommen, dem sämtliche Möbel geklaut worden waren, als sie gerade mal nicht zu Hause gewesen waren. Die Täter waren offenbar Junkies; damals kam es noch vor, dass Spießer in Gegenden wohnten, in denen umherziehende Banden alles stahlen, was sie nur eben stehlen konnten. Diese professionell organisierten Banden hatten sogar Aufpasser mit Funkgeräten, die sich mehrere Kilometer vom Tatort entfernt an der Straße postierten und Ausschau hielten, ob die Bewohner des jeweiligen Hauses oder Apartments zurückkamen. Arctor erinnerte sich noch daran, wie der Spießer und seine Frau zu ihm sagten: »Leute, die einem das Haus ausrauben und den Farbfernseher stehlen, sind doch vom gleichen Schlag wie diese Verbrecher, die Tiere abschlachten oder unschätzbare Kunstwerke besudeln.« Worauf Arctor das Formular für die Schadensmeldung sinken ließ und sie fragte, wieso sie das glaubten. Seiner Erfahrung nach jedenfalls taten Süchtige nur selten Tieren etwas zuleide. Er hatte selbst miterlebt, wie Junkies über lange Zeit hinweg verletzte Tiere fütterten und pflegten, die die Spießer schon längst hätten einschläfern lassen. Wenn es überhaupt so etwas wie einen typischen Spießerausdruck gab, dann war das wohl ›einschläfern‹ – übrigens ein alter Mafiaausdruck für Mord. Einmal hatte Arctor zwei völlig ausgeflippten Dopern bei der deprimierenden Aufgabe geholfen, eine Katze zu bergen, die in einem zerbrochenen Fenster hängen geblieben war. Die Doper, die kaum in der Lage waren, ihre Umwelt einigermaßen klar zu erkennen, hatten sich mit unendlicher Geduld über eine Stunde lang abgemüht, die Katze, die aus mehreren kleinen Wunden blutete, wieder freizubekommen. Sie hatten sich an den scharfen Glassplittern die Hände aufgeschnitten und mit diesen blutigen Händen hatten sie die Katze während der ganzen Prozedur sanft festgehalten, damit sie sich nicht noch mehr verletzte, und das arme Tier immer wieder gestreichelt. Einer der Typen war mit Arctor im Haus gewesen, der andere war draußen gestanden. Schließlich hatten sie es mit vereinten Kräften geschafft, die glücklicherweise nicht allzu schwer verletzte Katze zu befreien. Dann hatten die Doper sie gefüttert. Sie wussten nicht, wem die Katze gehörte – offenbar war sie hungrig gewesen und hatte durch das zerbrochene Fenster Nahrung gerochen. Vermutlich hatte sie laut miaut, und als niemand darauf reagiert hatte, musste sie versucht haben, hineinzuspringen. Die Doper hatten die Katze erst bemerkt, als sie jämmerlich zu schreien begann, doch dann hatten sie ihre Trips und Träume für eine Weile vergessen, um dem Tier zu helfen.
    Und was die ›unschätzbaren Kunstwerke‹ anging – nun, auch in diesem

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