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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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sie den Telefonhörer auf die Theke legte.
    Die ferne, gedämpfte Stimme eines Mannes: »Wer ist
    dran? Dieser Arctor?«
    »Ja, Carl, aber sag bitte nichts, bitte. Er ist vorhin hereingekommen und –«
    »Laß mich mit ihm sprechen.«
    Pause. Dann wieder die alte Dame. »Ja, ich habe die Adresse, Mr. Arctor.« Sie las seine Heimatadresse ab.
    »Dorthin ist ihr Bruder bestellt worden? Um den
    Schlüssel zu machen?«
    »Einen Moment, bitte. Carl? Erinnerst du dich noch, wo du mit dem Lieferwagen hingefahren bist, um den
    Schlüssel für Mr. Arctor zu machen?«
    Das weit entfernte Brummen einer Männerstimme:
    »Zum Katella Boulevard.«
    »Nicht zu ihm nach Hause?«
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    »Zum Katella Boulevard. «
    »Zum Katella Boulevard, Mr. Arctor. In Anaheim.
    Nein, warten Sie – Carl sagt gerade, es war in Santa Ana, an der Main Street. Hilft Ihnen das –«
    »Danke«, sagte er und legte auf. Santa Ana. Main
    Street – dort hat die Scheiß-Dopeparty stattgefunden; ich muß in dieser Nacht mindestens dreißig Namen und ebenso viele Nummernschilder notiert haben. Das war
    nicht nur eine von diesen gewöhnlichen Drogenparties.
    Eine große Lieferung war gerade aus Mexico eingetroffen; die großen Dealer teilten die Ware unter sich auf und testeten sie an, wie es dabei so üblich ist. Die Hälfte von ihnen ist jetzt möglicherweise schon von als Käufern ge-tarnten Agents provocateurs hopsgenommen worden …
    Wow, dachte er, ich erinnere mich immer noch an diese Nacht – oder besser gesagt: Ich werde mich wohl nie mehr so genau daran erinnern können.
    Aber das entschuldigte Barris immer noch nicht dafür, daß er vorsätzlich vorgetäuscht hatte, Arctor zu sein, als dieser Telefonanruf kam. So, wie es jetzt aussah, hatte er sich das nur spontan ausgedacht – improvisiert. Scheiße, vielleicht war Barris an jenem Abend einfach nur abgefüllt gewesen und hatte das getan, was eine Menge Mak-ker tun, wenn sie weggetreten sind: nämlich auf allem abfahren, was sich gerade so ergibt. Arctor hatte den Scheck geschrieben, daran konnte es jetzt keinen Zweifel mehr geben; Barris hatte nur zufällig den Hörer abgeho-ben. Und in seinem angefressenen Kopf gedacht, daß es ein irre cooler Gag war. Er hatte nur unverantwortlich gehandelt, sonst nichts.
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    Und auch Arctor, überlegte er, als er erneut die Taxizentrale rief, hat nicht sehr verantwortungsbewußt gehandelt, als er den Scheck während dieser ganzen langen Zeitspanne nicht ersetzte. Wessen Fehler war das gewesen? Er holte den Scheck noch einmal heraus, um das Datum festzustellen. Anderthalb Monate. Jesus, und da hatte er Barris mangelndes Verantwortungsbewußtsein vorgeworfen! Beinahe hätte Arctor sich dafür die schwe-dischen Gardinen von innen ansehen können; nur dank Gottes unergründlicher Gnade war dieser Schwachkopf Carl nicht längst zum Bezirksstaatsanwalt gerannt. Ober vielleicht hatte ihn auch nur seine putzige alte Schwester davon abgehalten.
    Arctor, entschied er, sollte seinen Arsch jetzt besser in Bewegung setzen; er hat selbst ein paar bescheuerte Sachen gemacht, von denen ich bisher noch nichts wußte.
    Barris ist da nicht der einzige und vielleicht nicht einmal der Hauptübeltäter. Erstens einmal muß immer noch der Grund geklärt werden, aus dem Barris Arctor mit so ab-gefeimter Bösartigkeit verfolgt. Woher kommt dieser brennende Haß? Kein Mensch unternimmt doch über
    eine längere Zeitspanne hinweg alle nur erdenklichen Anstrengungen, um jemanden fertigzumachen, wenn er
    keinen Grund dafür hat. Und Barris versucht nicht, irgendwen sonst fertigzumachen, sagen wir, Luckman oder Charles Freck oder Donna Hawthorne; er hat sich mehr als jeder andere darum gekümmert, daß Jerry Fabin in die Staatliche Nervenklinik kam, und er kümmert sich geradezu rührend um alle Tiere im Haus.
    Einmal war Arctor kurz davor gewesen, einen der
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    Hunde – wie zum Teufel hatte der kleine schwarze Köter doch gleich geheißen, Popo oder so ähnlich? – ins Tier-heim zu bringen und dort einschläfern zu lassen, weil die Hündin sich nicht abrichten ließ. Barris hatte Stunden, ja, eigentlich sogar Tage mit Popo verbracht und sie abge-richtet und mit ihr gesprochen, bis sie sich beruhigte und dressiert werden konnte und deshalb nicht mehr weg
    mußte, um eingeschläfert zu werden. Falls Barris’ Bösartigkeit sich gegen alle richtete, dann würde er doch wohl keine Nummern – keine guten Nummern – wie die abziehen.
    »Taxizentrale«, sagte das Telefon.
    Er gab die

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