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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Ausschau halten müssen, um auf etwas zu stoßen; die Wahrheit würde sich den Kameras und den Schirmen nicht binnen eines Tages offenbaren. Er würde viel Geduld aufbringen müssen; er würde sich darein schicken müssen, über einen langen Zeitraum Nachforschungen anzustellen und sich in einen Bewußtseinszustand zu versetzen, in dem er die notwendige Bereitschaft zum Warten aufbrachte.
    Aber dann, sobald er etwas auf den Holo-Schirmen
    sah, irgendein dunkles, rätselhaftes Verhalten von Arctors Seite, würde Arctor plötzlich im Schnittpunkt einer Peilung von drei Fixpunkten aus stehen, und es würde eine dritte Absicherung für die Einschätzungen der anderen Parteien geben. Gewiß würde das die endgültige Be-stätigung liefern. Und damit den Kostenaufwand und die Zeit rechtfertigen und den Interessen aller beteiligten Parteien dienlich sein.
    Ich frage mich, was Barris weiß, was wir nicht wissen, dachte er. Vielleicht sollten wir ihn ins Behördenzentrum schleifen und ihn danach fragen. Andererseits ist es na-316
    türlich günstiger, über Material zu verfügen, das unabhängig von Barris zusammengetragen worden ist; an-
    dernfalls würden die Erkenntnisse eine bloße Verdopplung jener Erkenntnisse sein, über die Barris – wer immer er auch war oder was immer er auch darstellen mochte –
    verfügte.
    Und dann dachte er: Was, zum Teufel, habe ich da eigentlich gerade gedacht? Ich muß verrückt sein. Ich kenne Bob Arctor doch; er ist ein guter Mensch. Er ist in nichts verwickelt.
    Jedenfalls in keine üblen Sachen. Er arbeitet ja sogar, dachte er, für das Sheriff-Büro von Orange County, in einer Tarnidentität. Was möglicherweise der Grund dafür ist …

    Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
    Die eine will sich von der andern trennen:
    Die eine hält, in derber Liebeslust,
    Sich an die Welt mit klammernden Organen;
    Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
    Zu den Gefilden hoher Ahnen. *

    … warum Barris hinter ihm her ist.
    Aber, dachte er, das erklärt noch nicht, warum das
    Sheriff-Büro von Orange County hinter ihm her ist – und zwar so sehr, daß sie diese ganzen Holos installiert und einen Full-Time-Agenten damit beauftragt haben, ihn zu überwachen und über ihn Bericht zu erstatten. Das läßt sich damit nicht erklären.

    * Anm. d. Übers.: Deutsch im Original
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    Das paßt alles nicht zusammen, dachte er. Da muß
    noch mehr, noch viel mehr in jenem Haus vor sich gehen, jenem heruntergewirtschafteten, schuttgefüllten Haus mit dem unkrautüberwucherten Hinterhof und den Katzen-klos, die nie geleert werden, jenem Haus, wo die Tiere auf dem Küchentisch herumspazieren und die Abfalleimer überquellen, weil nie jemand den ganzen Müll nach draußen trägt.
    Was für eine Verschwendung, dachte er, ein so gutes und solides Haus derartig herunterkommen zu lassen.
    Man könnte so viel damit machen. In diesem Haus könn-te eine Familie leben, Kinder und eine Frau. Dafür war es ausgelegt: drei Schlafzimmer. So eine Verschwendung; so eine beschissene Verschwendung! Sie sollten es ihm wegnehmen, dachte er; sie sollten auf der Stelle eingreifen und die Zwangsräumung anordnen. Vielleicht werden sie das ja auch machen. Und es einer besseren Verwendung zuführen; dieses Haus schreit geradezu danach.
    Dieses Haus hat auch schon viel bessere Tage gesehen, vor langer Zeit. Jene Tage könnten wiederkehren. Wenn jemand, der nicht so ist wie Arctor und seine Kumpane, darin wohnen würde und es gut in Schuß hielte.
    Besonders den Hof, dachte er, als das Taxi in die mit alten Zeitungen übersäte Auffahrt einbog.
    Er bezahlte den Fahrer, holte seinen Türschlüssel heraus und betrat das Haus.
    Sogleich spürte er, daß da etwas war, das ihn beobachtete: die auf ihn gerichteten Holo-Kameras. Von dem Moment an, da er über seine eigene Türschwelle getreten war. Er war ganz allein – keiner außer ihm im Haus.
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    Falsch! Keiner außer ihm und den heimlichen, unsichtbaren Kameras, die ihn beobachteten und alles aufnahmen.
    Alles, was er tat. Alles, was er sagte.
    Unwillkürlich mußte er an die Kritzeleien denken, die man manchmal sah, wenn man zum Pinkeln auf ein öffentliches Pissoir ging. LÄCHLE! DU WIRST FÜR
    »VORSICHT, KAMERA« GEFILMT! Und die Kamera
    surrt los, dachte er, sobald ich das Haus betrete. Gespen-stisch. Er mochte das nicht. Er fühlte sich gehemmt; diese Empfindung war seit dem ersten Tag, vom ersten Augenblick an, nachdem sie wieder nach Hause gekommen waren, immer stärker

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