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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Oberstübchen dazu getrieben hatte, auch das unglaublich teure und wertgeschätzte Cephskop kurzzu-schließen, das alle Bewohner dieses Hauses – und alle ihre Freunde nicht minder – liebten und genossen. Ja, früher einmal hatte Bob Arctor ein anderes Leben ge-führt. Da waren eine Ehefrau gewesen, die sich in nichts von anderen Ehefrauen unterschied, zwei kleine Töchter, ein solider Haushalt, der täglich gefegt und geputzt und ausgeleert wurde, und nichtssagende Zeitungen, die nie aufgeschlagen, sondern gleich vom Briefkasten zur Müll-tonne getragen wurden – oder manchmal sogar gelesen.
    Aber eines Tages dann, während er gerade den elektrischen Popcornautomaten unter dem Ausguß hervorholte, hatte Arctor sich den Kopf an der Ecke eines Küchenschränkchens gestoßen. Dieser Schnitt in seiner Kopf-111
    haut, dieser unerwartete und unverdiente Schmerz, hatte aus irgendeinem unerfindlichen Grund die Spinnweben zerrissen. Und er begriff mit wundersamer Klarheit, daß er nicht das Hängeschränkchen haßte: Er haßte seine Ehefrau, seine beiden Töchter, das ganze Haus, den Hinterhof mit dem elektrischen Rasenmäher, die Garage, die Zentralheizung und ihre gleichmäßige Wärme, den Vorhof, den Zaun, dieses ganze beschissene Heim – und jeden einzelnen, der darin lebte. Er beschloß, sich scheiden zu lassen; er wollte sich von allem lösen. Und das hatte er auch getan, sehr bald schon. Und dann war er Schritt um Schritt in ein neues Leben eingetreten, dem es an all dem mangelte.
    Vielleicht hätte er diese Entscheidung bedauern sollen.
    Er tat das nicht. Sein früheres Leben war ohne Aufregung gewesen, ohne Abenteuer. Es war zu sicher gewesen.
    Alle Bestandteile, aus denen sich dieses Leben zusam-mensetzte, standen vorgefertigt da, stets sichtbar. Nichts würde sich jemals ändern. Sein Leben, so hatte er einmal überlegt, war wie ein kleines Boot aus Plastik, das auf ewig weitersegeln würde, ohne Zwischenfälle, bis es schließlich sank, was für alle eine Erlösung war.
    Aber in dieser dunklen Welt, in der er nun lebte,
    strömten dauernd häßliche und überraschende Dinge auf ihn ein – und gelegentlich gab es auch einmal ein winziges, wunderbares Ding. Er konnte mit nichts fest rechnen; jeder Tag bot neue Überraschungen. Wie die absichtliche, böswillige Beschädigung seines Altec-Cephalochromoskops, um das herum er den Vergnügungsteil seines Tagesablaufs aufgebaut hatte, den Abschnitt des Tages, 112
    in dem sie sich alle entspannten und aus dem sie eine innere Ruhe und Zufriedenheit gewannen. Rational betrachtet, ergab es für niemanden Sinn, das alles zu zerstö-
    ren. Aber nicht viel inmitten dieser langen, dunklen A-bendschatten war wirklich rational, wenigstens nicht im exakten Wortsinn. Jeder konnte diese rätselhafte Handlung begangen haben, und das aus fast jedem erdenklichen Grund. Jeder, den er kannte oder dem er jemals flüchtig begegnet war. Jeder einzelne von acht Dutzend ausgeklinkten Säureköpfen, exotischen Freaks, kaputten Fixern oder psychotischen Paranoikern, die ihren hallu-zinierten Groll gegen ihn nun nicht mehr bloß in ihrer Phantasie, sondern in der Wirklichkeit auslebten. Oder sogar jemand, dem er nie begegnet war und der ihn einfach nach Zufallskriterien aus dem Telefonbuch ausge-wählt hatte.
    Oder sein bester Freund.
    Vielleicht hat Jerry Fabin es getan, dachte er, bevor sie ihn weggekarrt haben. Diese ausgebrannte, vergiftete Hülse, die einmal ein Mensch gewesen ist. Jerry Fabin und seine Milliarden von Blattläusen. Jerry Fabin, der Donna – und eigentlich alle Puppen – beschuldigt hat, ihn »verseucht« zu haben. Dieser ausgeflippte Homo.
    Aber, dachte Arctor, wenn Jerry jemanden hätte fertigmachen wollen, dann wäre das Donna gewesen und nicht ich. Und außerdem hätte Jerry bestimmt nicht mal herausfinden können, wie man die Bodenplatte des Geräts entfernt; wenn er das versucht hätte, wäre er jetzt wahrscheinlich immer noch dabei, dieselbe Schraube loszuschrauben und wieder festzuschrauben. Oder er hätte 113
    gleich versucht, die Platte mit einem Hammer abzukriegen. Und überhaupt: Wenn Jerry Fabin es getan hätte, dann wäre der Kasten voller Wanzeneier, die von ihm abgefallen wären … Bei diesem Gedanken mußte Bob
    Arctor innerlich grinsen.
    Armes Schwein, dachte er, und sein innerliches Grinsen erstarb. Arme, unglückliche Tunte. Sobald sich erst einmal die Spuren der hochkomplexen Schwermetalle in seinem Gehirn abgelagert hatten, war’s mit ihm

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