Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Sportwagen bemerkte er plötzlich einen langsam fahrenden Heuwagen, der direkt vor ihm aus einer Seitenstraße kam. Einen Augenblick später war außer ein paar blutigen Fleischfetzen von dem Botschafter nichts mehr übrig. Weder seine rüden Methoden noch die CIA-Privatarmee, die seinem Kommando unterstand, hatten ihm etwas genützt. Seine Gattin schrieb darüber keine stolzen Gedichte.
    »Häh, was ich getan?« mochte der Fahrer des Heuwa-
    gens zu den örtlichen Behörden gesagt haben. »Was ich getan, Massah? Nee, ich nix –«
    Oder zum Beispiel seine Ex-Ehefrau, erinnerte sich
    161
    Arctor. Damals hatte er Ermittlungen für eine Versiche-rungsfirma durchgeführt (»Trinken Ihre Nachbarn ge-
    genüber eigentlich viel«), und seine Frau war gar nicht damit einverstanden gewesen, daß er spät nachts noch seine Berichte schrieb, statt bei ihrem bloßen Anblick vor Begierde zu erzittern. Gegen Ende ihrer Ehe hatte sie aber gelernt, wie sie seine spätnächtlichen Arbeitsperio-den sabotieren konnte – sie verbrannte sich immer beim Zigarettenanzünden die Hand, bekam irgend etwas ins Auge, putzte in seinem Büro Staub oder suchte in oder direkt neben seiner Schreibmaschine irgendwelche ob-skuren Gegenstände. Zuerst hatte er grollend seine Arbeit unterbrochen und sich in das Schicksal ergeben, bei ihrem bloßen Anblick vor Begierde zu erzittern aber dann hatte er sich ja in der Küche den Kopf gestoßen, als er den Popcornautomaten hervorkramte, und eine bessere Lösung gefunden.
    »Wenn sie unsere Tiere umbringen«, sagte Luckman
    gerade, »werde ich sie ausräuchern. Ich werde sie alle kriegen. Ich werde eine professionelle Schlägertruppe anheuern, zum Beispiel ein paar Panthers aus L. A.«
    »Das tun sie schon nicht«, sagte Barris. »Was hätten sie davon, wenn sie die Tiere quälen würden? Die armen Viecher haben noch niemandem was getan.«
    »Ich etwa?« sagte Arctor.
    »Offenbar glauben sie das«, sagte Barris.
    Luckman sagte: »Wenn ich gewußt hätte, daß es harmlos war, hätte ich es selber umgebracht. Erinnert ihr euch noch daran?«
    »Aber sie war ein Spießer«, sagte Barris. »Die Kleine 162
    ist nie in die Scene eingestiegen, und sie hatte mächtig Moos. Wißt ihr noch, wie ihr Apartment eingerichtet war? Die Reichen wissen überhaupt nicht, was für ein kostbares Gut das Leben ist. Und darum hinkt dein Vergleich, Ernie. – Erinnerst du dich noch an Thelma Kornford, Bob? Das stämmige Mädchen mit den riesigen Brü-
    sten – sie trug nie einen BH, und wir saßen einfach nur rum und guckten uns ihre Brustwarzen an. Sie kam rüber in unsere Bude, um uns zu fragen, ob wir nicht für sie dieses Rieseninsekt totmachen konnten. Und als wir ihr dann erklärten –«
    Bob Arctor, der verkrampft hinter dem Steuer des
    langsam dahinrollenden Wagens hockte, vergaß seine
    theoretischen Überlegungen und spulte in seinem Kopf noch einmal jene Szene ab, die bei ihnen allen einen solchen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte: Thelma, diese gezierte und elegante Spießertochter mit den irren Titten, wie immer in Rollkragenpullover und Glocken-rock, war zu ihnen gekommen und hatte allen Ernstes von ihnen verlangt, ein großes, harmloses Insekt, das zudem noch nützlich war, weil es Moskitos fraß, totzuschlagen – und das in einem Jahr, in dem man im Orange County mit dem Ausbruch einer Meningitisepidemie
    rechnete, deren Erreger von den Moskitos übertragen wurde. Als sie festgestellt hatten, um was für ein Insekt es sich handelte, und ihr erklärt hatten, daß es harmlos und außerdem nützlich war, da hatte Thelma jenen Satz ausgesprochen , der nun für Bob Arctor und seine Freunde zu einem geflügelten Wort geworden war – zu einem geflügelten Wort, das wie ein in flammenden Lettern ge-163
    schriebenes Motto über allem stand, was sie fürchteten und verabscheuten:

    WENN ICH GEWUSST HÄTTE, DASS ES HARMLOS
    WAR, HÄTTE ICH ES SELBER UMGEBRACHT!

    Diese Bemerkung brachte in ihren Augen all das auf einen Nenner, worauf sich der Argwohn gründete, den sie gegenüber ihren Feinden unter den Spießern empfanden, mal angenommen, sie hatten Spießerfeinde; Thelma
    Kornford jedenfalls, dieses wohlerzogene Geschöpf, das weidlich alle Segnungen des Reichtums genoß, war sofort zum Feind geworden, als sie diese Worte ausgesprochen hatte. Und darum waren die drei zu Thelmas Ver-blüffung auf der Stelle aus dem Apartment gelaufen und in ihre eigene, abfallübersäte Bude zurückgekehrt. In diesem einen Augenblick

Weitere Kostenlose Bücher