Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
etwas?«
    »O ja, nachdem er sein furchtbares Werk im Hof vollbracht hat, ist er raus und hat einen Fluch über den Hof geworfen.«
    »Einen Fluch?«
    »Ja, oder so was. Jedenfalls hat er Worte in einer barbarischen Sprache gesprochen und dabei den Namen Gottes missbraucht!«
    »Wie entsetzlich! Was sagte er denn?«
    »Ich weiß nicht ganz genau. Es hörte sich an wie ›jesükrist‹, was bestimmt ein ganz schlimmes Wort ist, weil es sich so ähnlich anhört wie Jesus Christus. Und ›fidüdjövivant‹.«
    »Fidüdjövivant. Das klingt allerdings gefährlich.«
    Almut bemühte sich weiterhin, eine ernste, aufmerksame Miene zu bewahren, denn das, was Peter dort gehört hatte, konnten nur Laute menschlicher Wesen sein, und das Stöhnen tief aus dem Bauch legte einen bestimmten Verdacht nahe.
    »Sag mal, wem gehört denn der Hof eigentlich? Müsste der Besitzer nicht gewarnt werden, dass sich dort Dämonen herumtreiben und Flüche verbreiten?«
    »Och nö, das ist doch nur so ein Lager für Weinfässer.«
    Almut starrte ihren Stiefbruder verblüfft an. Eine unbestimmte Idee keimte in ihr.
    »Ist was, Frau Almut? Glaubt Ihr, dass der Wein dadurch schlecht geworden ist?«
    »Das kann schon sein, Peter. Aber ich muss ganz ehrlich sein, ich glaube, dein Dämon war eher ein Mensch, der sich dort herumgetrieben hat. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass er etwas Übles im Sinn hatte. Peter, versprich mir, solche Ausflüge nachts nicht mehr zu machen. Vor einem Dämon kannst du dich vielleicht in den Baum retten, ein böser Mensch, der bemerkt, dass du ihn beobachtet hast, könnte gefährlicher werden.«
    »Aber das war kein Mensch, Frau Almut. Ganz sicher nicht. Er hat nämlich ein Dämonensiegel hinterlassen. Ich habe es am nächsten Tag in der Gasse unterhalb der Mauer gefunden. Seht her!«
    Peter fummelte in der Tasche an seinem Gürtel herum und förderte ein zierlich geschnitztes Holzscheibchen hervor, auf dem das Andreaskreuz und ein paar kleine Buchstaben eingeritzt waren. Almut hielt den Atem an.
    »Junge, das ist ein Amulett, kein Dämonensiegel. Es hilft gegen Krankheiten des Halses. Das hat ein Mensch verloren. Wahrscheinlich einer, der es dringend braucht. Das ist nichts für Kinderhände. Würdest du mir das bitte geben.«
    »Aber Frau Almut…«
    Die Sonne hatte sich während der spannenden Geschichte hinter dichteren Wolkenschleiern verzogen, und Barbara rief den beiden im Hof aus dem Fenster zu: »Almut, wenn du nicht in das Gewitter geraten willst, dann solltest du dich jetzt auf den Weg machen.«
    »Peter. Bitte.«
    »Ihr glaubt mir nicht!«
    Tief enttäuscht ließ der Junge den Kopf hängen.
    »Peter, natürlich glaube ich dir, dass du eine ganz fantastische Geschichte erlebt hast, aber eigentlich hast du nicht viel gesehen in jener Nacht. Du hast dir etwas vorgestellt, was richtig schaurig ist. Aber ich vermute mal, in Wahrheit ist etwas ganz anderes passiert. Und deswegen solltest du mir dieses Amulett geben, denn ich kann damit mehr anfangen als du. Du weißt doch, wir helfen den Kranken, und das hier kann dabei sehr wichtig sein.«
    Widerstrebend legte Peter das Holzscheibchen in Almuts ausgestreckte Hand. Sie ließ es mit einem leisen Seufzer der Erleichterung in ihrem Beutel verschwinden.
    »Ich muss gehen, Peter. Sonst werde ich von Blitz und Donner überrascht.«
    »Aber Gewitter sind doch großartig. Bist du genauso eine Heulliese wie Mechtild?«
    »Ist deine Schwester eine Heulliese? Das ist mir noch nie aufgefallen.«
    »Doch. Sie verkriecht sich immer unter dem Tisch, wenn es donnert.«
    Sie waren inzwischen ins Haus gegangen, und Almut verabschiedete sich von ihrer Stiefmutter.
    »Ach, lagert der alte Gumprecht eigentlich noch immer den Sauerampfer aus seinem Weingarten in dem Gebäude hinter dem Hof, Frau Barbara?«
    »Nein, der ist doch schon vor Jahren gestorben. Das Lagerhaus gehört jetzt dem Weinhändler, von dem wir vorhin gesprochen haben. Warum fragst du?«
    »Oh, wegen der höllischen Geister, die dort ihr Unwesen treiben. Ich habe tiefstes Verständnis für Peters Beichtvater!«
    Lachend öffnete Frau Barbara die Tür, und Almut machte sich, von einer schweigsamen Anna begleitet, äußerst nachdenklich auf den Heimweg und übersah dabei den hageren Dominikanermönch, der ihr mit seltsam gierigem Blick hinterherschaute.

9. Kapitel
    Bruder Johannes war nicht untätig geblieben. Er hatte, wie es einem Inquisitor zukommt, Fragen gestellt. Bruder Notker hatte ihm gerne einige davon

Weitere Kostenlose Bücher