Der dunkle Spiegel
Patrizierkreisen auszubauen.«
»Na, ich wünsche ihm viel Glück dabei.«
»Wird er brauchen, denn es gibt noch mehr Gerüchte um ihn. Es heißt, er habe gepantschten Wein verkauft. Aber das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.«
»Das wird er sich nicht leisten können, wenn er derartige Ambitionen hat. Vielleicht streut ein Konkurrent solche Gerüchte aus.«
Sinnend nickte Barbara und wedelte sich mit der Hand Luft zu.
»Erstickend heute, nicht wahr?«, meinte Almut und tat es ihr gleich.
»Wird wohl noch ein Gewitter geben.«
»Hoffentlich nicht gerade, wenn ich zurückgehen muss. Aber hier habe ich etwas, das Euch Kühlung verschaffen wird, Frau Barbara.«
Almut reichte ihrer Stiefmutter das Krüglein mit dem Duftwasser. Sie schnupperte sogleich daran und meinte mit verzücktem Gesichtsausdruck: »Wundervoll, Almut. Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen?«
Almut erzählte von ihrem Missgeschick und fügte dann hinzu: »Inzwischen probiert unsere Trine immer neue Mischungen aus. Ich muss sagen, sie ist sehr begabt darin. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie über einen beinahe übernatürlichen Geruchssinn verfügt. Sozusagen zum Ausgleich zu ihrem fehlenden Gehör. Hier hat sie das Destillat von den Schalen dieser entsetzlich sauren gelben Früchte hineingetan.«
»Zitronen? Ihr habt Zitronen? Was kann man denn damit anfangen?«
»Unsere Apothekerin hat sie bei ihrem Gewürzhändler gekauft. Er sagt, der Saft hilft bei Fieber und bei Erkältungen. Aber sie schmecken scheußlich!«
»Riechen tut das Parfüm aber gut.«
»Das findet Frau Dietke de Lipa auch!«
»Ah, dem eitlen Fratz hast du auch davon gegeben?«
»Wir haben es ihr teuer verkauft. Kennt Ihr die Dame?«
»Wir sind uns ein paarmal begegnet. Dein Vater legt ja so großen Wert darauf, mit angesehenen Familien zusammenzukommen. Sie ist sehr schön und weiß das auch. Und sie ist reich genug, sich teure Kleider und Parfüms zu kaufen.«
Almut fiel der schwarze Spiegel und das Geheimnis, das er barg, wieder ein, und Beklommenheit legte sich um ihr Herz. Plötzlich war der freundliche Nachmittag überschattet.
»Was ist, Almut? Trauerst du dem weltlichen Leben nach? Du weißt, du kannst jederzeit zu uns zurückkommen.«
Almut verscheuchte den dunklen Schatten und erwiderte lächelnd: »Um mich von Vater mit dem erstbesten angeblich einflussreichen Mann verheiraten zu lassen. Nein, darauf kann ich verzichten.«
»Na gut, das würde er sicher versuchen. Aber ich bin ja auch noch da…«
»Lasst nur, Frau Barbara. Ich bin ganz zufrieden mit dem Leben, das ich jetzt führe. Ich neide auch der schönen Dietke nicht ihre Seidenkleider und ihr makelloses Gesicht. Sie hat wohl auch ihre Probleme. Ihr Gatte wirkte nicht sehr umgänglich.«
»Er sollte aber umgänglich sein. Sonst wiederholt sich bald der Skandal, den seine erste Frau verursacht hat.«
»Hat sie einen verursacht?«
»O ja. Sie ist ihm, so erzählt man hinter vorgehaltener Hand, mit einem jungen fremdländischen Adeligen davongelaufen. Und zwar nicht einfach aus einer Laune heraus, sondern sorgfältig geplant. Sie hat sogar ihre Mitgift mitgenommen, und man hat nie eine Spur von ihr gefunden. Aber die Gerüchte sagen, dass sie jetzt auf einem großen Landgut im Süden leben.«
»Und Gerüchte sind fast immer wahr! Es wird de Lipa tief getroffen haben.«
»Er war wütend. Aber er trauerte ihr wohl nicht nach, denn kurz darauf hat er sich um seine schöne Dietke beworben.«
»Wisst Ihr eigentlich, wer dieses schreckliche Monster ist, das in dem Haushalt lebt und so eine Art Haushofmeister spielt?«
»Nein, ein Monster? Wie entsetzlich!«
»Na ja, er sieht furchtbar zugerichtet aus. Man hat ihm Nase und Ohren abgeschnitten, und er hat eine lange Narbe von der Stirn bis zum Kinn. Seine Zunge hat er auch verloren. Außerdem hinkt er wie der Teufel.«
»Sag so etwas nicht, Almut. Vielleicht ist er auf einem Kriegszug von Feinden so zugerichtet worden.«
»Oder er hat ein Verbrechen begangen, dessentwegen er so verstümmelt wurde.«
»Und du glaubst, Dietke würde so eine Kreatur zu ihrem Haushofmeister machen?«
»Eine christliche Tat vielleicht? Er hat ungeheuren Respekt vor ihr.«
»Mh. Sehr interessant. Ich werde mich mal ein wenig umhorchen und dir dann berichten.«
Almut winkte ab.
»Nein, nein, es ist nicht so wichtig, Frau Barbara. Erzählt mir, wie geht es den Kindern?«
Eine Weile verbrachten die beiden Frauen damit, die großen und kleinen
Weitere Kostenlose Bücher