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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wenn es um die Feilschereien mit den Händlern ging. Bald hatte Almut die von der Köchin gewünschten frischen Krebse im Korb, ebenso ein paar Würste und ein großes Stück Käse. Zwei neue Scheren sollte sie für die Weberinnen erstehen, Seife und ein Bündel Wachskerzen für die Meisterin, und einen süßen weißen Wecken mit Rosinen kaufte sie für sich selbst. Ihr Korb hing schwer von ihrem Arm, als sie Clara in die Kirche begleitete. In deren Korb befanden sich voluminöse Dinge – eine Rolle Pergament, einige Schreibfedern, ein paar Ellen feines Leinen, das sie besticken wollte, zartes Silbergarn und dünne Nadeln. Auch drei zierliche Phiolen aus buntem venezianischem Glas hatte Almut ihr noch hineingelegt, damit sie nicht von ihren groben Waren beschädigt wurden. Schwer war ihre Last damit allerdings nicht geworden. Dennoch, der klamme Nieselregen kroch unter ihre Gewänder, und beide Frauen waren froh, als sie in der Kirche Schutz vor ihm fanden. Sie war bis auf wenige Gläubige, die in stille Gebete versunken waren, leer. Zu den Zeiten, in denen das lebhafte Marktgeschäft blühte, fanden nur wenige Muße zur inneren Einkehr.
    »Wartest du hier auf mich, während ich die Gebete für die gute Alhyd spreche?«
    »Natürlich, Clara. Du findest mich am Marienaltar.«
    Almut seufzte ein wenig auf, als sie ihre Einkäufe neben sich auf den Boden stellte, und rieb sich die belastete Schulter. Dann kniete sie nieder.
    »Salve Regina, Mater misericordiae… Entschuldige Maria, mein Magen knurrt dermaßen, dass ich erst etwas essen muss, bevor ich mich auf meine Gebete besinnen kann«, flüsterte Almut der Maria zu, die mit demütig gesenktem Haupt auf die arme, hungrige Sünderin blickte. Ihr sanftes Gesicht war voller Verständnis, und so nahm Almut den Wecken aus dem Korb, biss hungrig hinein und kaute genießerisch das weiche Gebäck mit den süßen Rosinen.
    »Störe ich Eure Andacht, Begine?«
    Almut erkannte die leise Stimme, bevor sie den Mönch sah, und der Bissen in ihrem Mund schien zu doppelter Größe aufzuquellen und am Gaumen zu kleben. Mühsam würgte sie ihn hinunter.
    »Erstickt nicht daran!«
    Es lag ohne Zweifel Belustigung in der Stimme.
    »Und am besten nehmt Ihr noch einen Bissen, denn dann kann ich, ohne vom spitzen Stachel Eurer Zunge getroffen zu werden, meine Entschuldigung vorbringen.«
    Endlich war der Happen unten, und Almut traute sich hochzublicken. Sie sah in Pater Ivos ausdrucksloses Gesicht.
    »Ich grüße Euch, Pater. Bitte verzeiht mein unbotmäßiges Benehmen.«
    »Oh, bittet nicht mich, sondern Maria um Verständnis.«
    Almut grinste ihn mit plötzlichem Übermut an und sagte: »Sie, die Mutter der Barmherzigkeit, versteht die leiblichen Bedürfnisse ihrer Kinder.«
    »Ja, das vermute ich auch. Und nun, Begine, wandelt ein wenig mit mir auf und ab, denn ich habe Euch etwas zu sagen. Euren Korb lasst in Mariens Obhut.«
    Er schob das schwere Behältnis in eine dunklere Nische und wartete dann, bis Almut sich erhoben hatte.
    »Ich habe Euch Unrecht getan, als ich Euch vorwarf, den Messwein verdorben zu haben. Nehmt Ihr meine Entschuldigung an, Begine?«
    »Das muss ich ja wohl, Pater Ivo, wenn Ihr mich schon darum bittet.«
    »Es würde mir die Seele entlasten.«
    »Dann will ich großmütig sein, Pater, ganz wie Mutter Maria es auch mir gegenüber war. Aber sagt, wie kommt Ihr so plötzlich zu Eurem Gesinnungswandel?«
    »Ein Schluck davon, nicht so ein kräftiger, wie Bruder Notker ihn tat, belehrte mich, dass ein ganzes Fass dieser äußerst minderen Weinqualität Einlass in unseren Keller gefunden hat. Unser Camerarius ist untröstlich darüber.«
    »Vermutlich auch ein wenig ungehalten.«
    »So, wie Ihr es in einem solchen Fall wäret?«
    »Möglicherweise.«
    Almut hatte die Entschuldigung besänftigt, denn sie achtete Menschen, die einen Fehler eingestanden. Darum hielt sie die Bemerkungen zurück, die sich immer wieder auf ihre Zungenspitze drängen wollten, wenn sie herausgefordert wurde. Nicht aber zurückdrängen konnte sie ihre Neugier.
    »Wer hat denn den schlechten Wein geliefert?«
    »Eine interessante Frage, die Ihr da stellt, Begine. Warum wollt Ihr das wissen?«
    Sie zögerte kurz, mochte dann aber ihre wahren Beweggründe doch nicht preisgeben. Darum antwortete sie mit möglichst beiläufigem Ton: »Damit wir nicht bei demselben Händler unseren Wein kaufen.«
    »Oh, Ihr seid nicht nur die Baumeisterin Eures Konventes, eine Krankenpflegerin, Klagefrau und

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