Der dunkle Spiegel
erstaunlich sauberen Händen. Beinahe ehrfürchtig ließ sie dabei den blauen Schleier durch die Finger gleiten.
»Hast du dem Kind diesen Putz gekauft?«, schnaufte Elsa ungehalten.
»Nein, den hat sie von jemandem geschenkt bekommen. Lass ihn ihr, sie hat wenig genug eigene Dinge.«
»Wir sollten uns mit solchem Schnickschnack nicht abgeben, Almut. Das weißt du ganz genau.«
»Ach, Elsa, was ist denn los mit dir? Lass dem Kind doch die Freude an etwas Schönem. Sie ist keine Begine, und es ist fraglich, ob sie es je werden will.«
»Was hat sie denn sonst für eine Möglichkeit, mh?«
»Sie könnte eine Heilerin werden, oder Gärtnerin.«
»Sie wird eine Hure werden, willig und ausgenutzt, weil sie für jeden billigen Tand zu haben ist.«
»Gut, dass sie dich nicht hören kann, Elsa. Du hast eine entsetzliche Laune.«
»Ich habe keine Launen!«, fauchte Elsa und bewegte ihren wuchtigen Leib zur Tür. »Ich habe zu tun, im Gegensatz zu anderen Müßiggängern!«
Kopfschüttelnd sah Almut der forteilenden Apothekerin nach. Trine hatte wieder einmal still verfolgt, was sich zwischen den beiden abspielte, und legte jetzt wie entschuldigend ihre Hand auf Almuts Arm.
»Schon gut, Trine, sie ist manchmal grantig. Das wird sich wieder geben. Aber kannst du mir eine Flasche von der Hustenarznei geben?« Sie deutete Husten und Schlucken an, und Trine verstand. Von einem Regal hob sie einen größeren Krug herunter und löste vorsichtig den Holzpfropf. Almut reichte ihr ein Gefäß, das etwa die Menge fassen würde, wie sie Jean bekommen hatte. Anschließend suchte sie die Köchin auf und bat sie um eine Schüssel mit kaltem Körnerbrei, der vom Morgen übrig geblieben war. Dann mischte sie beides in einer flachen Holzschale zusammen und machte sich auf die Suche nach dem Schwein. Die Sau lag träge an der Gartenmauer und döste, blinzelte aber gierig, als Almut ihr die Schale vor das Maul schob. Mit leisem Grunzen und lauterem Schmatzen machte sie sich über den Brei her, und als die Schale leer war, legte sie sich wieder in ihre dösende Position zurück.
»Entweder bekommen wir in den nächsten Tagen Schweinebraten, oder du wirst nur lange und tief schlafen. Schöne Träume wünsch ich dir!« Mit diesen Worten wandte sich Almut ab, um im Refektorium ihre eigene Mahlzeit einzunehmen.
Die Beginen hatten ihr Essen noch nicht ganz beendet, als sich im Hof ein ungewöhnlich lautes Quieken und Grunzen bemerkbar machte.
»Was ist denn mit der Sau los?«, fragte Mettel verwundert und lief zur Tür. Das Schwein raste wie aufgedreht um den Brunnen herum und stieß dabei die wunderlichsten Geräusche aus, dann stürmte es durch das Kräuterbeet, warf sich in den Gemüsegarten und drehte sich darin mit lustvollem Quieken im Kreis. Nachdem es zwei Kohlköpfe entwurzelt hatte, nahm es schwankend Kurs auf Gertruds Küche.
»Fang das verdammte Vieh ein!«, brüllte die Köchin die verstört dreinblickende Mettel an.
»Wie soll ich das denn machen? Die Sau ist verrückt geworden!«
Inzwischen waren auch die anderen in den Hof gekommen und sahen halb belustigt, halb empört den Kapriolen des Tiers zu.
»Was hat dieses Schwein nur? Ist es von einer Wespe gestochen worden?«, fragte Magda.
»Nein«, sagte Almut. »Ich habe der Sau Elsas Hustensaft gegeben. Ich wollte wissen, ob er giftig ist.«
»Scheint nicht tödlich zu sein. Im Gegenteil, sie sieht ziemlich vergnügt aus!«
Clara betrachtete erheitert das Tier, das gerade versuchte, sich leidenschaftlich an Mettel zu schubbern.
»Sieht aus, als hätte sie der Veitstanz gepackt! Bist du sicher, dass es der Hustensaft war, den du ihr gegeben hast?«
»Aus dem blauen Krug auf dem Regal unter dem Fenster. Ich habe der Sau ungefähr so viel gegeben, wie du mir für Jean abgefüllt hast.«
»Wer hat dir eigentlich erlaubt, dich an meinen Arzneien zu vergreifen?«
»Elsa, reg dich nicht auf. Ich denke, das war eine ausgezeichnete Idee von Almut. So wissen wir wenigstens, welche Wirkung dieses Mittel in einer derartigen Menge hat.«
»Ihr wollt mir nur Giftmischerei unterstellen. Ihr wollt mich dem Inquisitor ausliefern! Ich hätte alles vernichten müssen! Ich werde die Töpfe zerschlagen und die…«
»Halt ein, Elsa!«
Wieder musste die Meisterin die aufgebrachte Apothekerin besänftigen, während Mettel mit Hilfe von Bela und zwei Mägden versuchte, das übermütige Tier einzufangen. Trine wollte sich schier ausschütten vor Lachen, torkelte ebenfalls wie trunken
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