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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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küssen oder ihre Unschuld zu schwören, dann soll sie der Gerichtsbarkeit überantwortet werden.«
    Das war nicht ganz das, was der Inquisitor im Sinn hatte, doch die Lösung hatte auch einige reizvolle Aspekte. Selbst wenn der Leichnam nicht mehr bluten sollte, das Bewusstsein ihrer Schuld und die öffentliche Bloßstellung würden schon dafür sorgen, dass der ketzerischen Begine kein Wort über die Lippen käme. Und damit hatte er sie in der Hand. Er stimmte zu und stellte seine Bedingungen. Nicht in der kleinen Friedhofskapelle, sondern vor dem Altar der Pfarrkirche, in der sie auch ihre ketzerischen Äußerungen getan hatte, sollte der Tote aufgebahrt werden. Während der Messe, vor allen Gläubigen, sollte diese junge Frau sich nackt und geschoren dem göttlichen Urteil stellen.
    Die Anwesenden hörten ohne Regung zu, nur gegen eine Kleinigkeit protestierte die Meisterin. Die Haare solle man ihr nicht scheren, das gelte nur für überführte Verbrecher. Als Zeichen seiner Güte stimmte Bruder Johannes zu, dass die Begine erst nach dem Beweis ihrer Schuld geschoren würde.

14. Kapitel
    Almut saß wie gelähmt auf der Bank in Magdas Zimmer. Die Meisterin hatte sie hierher geschickt, während sie nach Bruder Johannes’ Abschied noch mit de Lipa und dem Benediktiner sprechen wollte. Die unterschiedlichsten Gefühle wollten sie überwältigen. Am schwersten wog jedoch nicht das Entsetzen über die bevorstehende Bahrprobe, sondern ihre Erschütterung über Elsas Anklage und Verrat. Außerdem war sie noch immer fassungslos, dass Pater Ivo sie plötzlich als Schuldige hinstellte und sie einer solch demütigenden Prozedur unterwarf.
    Leise schloss sich die Tür, und Magda setzte sich neben sie.
    »Da hast du einen guten Freund gefunden, Almut.«
    »Ich? Wen?« Verbittert sah sie die Meisterin an. »Meinst du etwa diesen scheinheiligen Benediktiner?«
    »O ja, den meine ich. Weiß du nicht, dass er dich vor sehr viel Schlimmerem bewahrt hat, als nur einen Toten zu küssen?«
    »Nackt, mit offenen Haaren, vor der ganzen Gemeinde!«
    »Und eine gute Freundin auch, Almut. Sonst hättest du noch nicht einmal die Haare!«
    »Ihr seid alle wahnsinnig. Ich habe den Jungen nicht umgebracht. Glaubt mir denn gar keiner mehr?«
    »Doch, Almut, wir glauben dir. Sonst hätte Pater Ivo dieses Gottesurteil nicht vorgeschlagen, und ich hätte nicht zugestimmt.«
    Magda, die normalerweise sehr zurückhaltend war, beugte sich vor und nahm Almuts kalte Hände in die ihren. »Hör zu, Almut. Du bist eine tapfere Frau, und ich habe tiefstes Vertrauen zu dir und deinen Fähigkeiten, mit dieser Prüfung fertig zu werden. Du hast dir außer ein paar vorlauten Worten nichts vorzuwerfen. Du wirst mit großer Würde und Gelassenheit diese Posse über dich ergehen lassen. Denk immer daran, dass Bruder Johannes auch andere Methoden zur Verfügung hat, um ein Geständnis zu erlangen. Damit er die nicht ins Spiel bringen konnte, hat Pater Ivo auf dem Gottesurteil bestanden. Bedenke doch, es hat wenigstens den Vorteil, dass es auch die Unschuld beweist. Danach sind wir mit etwas Glück den Inquisitor endgültig los.«
    »Hoffentlich. Mein Gott, was ist nur in Elsa gefahren? Sie hat mich ja nicht nur der Quacksalberei und des Missbrauchs gefährlicher Substanzen beschuldigt, sondern mich sogar in den Verdacht der Zauberei gebracht. Wenn nur dieser grässliche Dominikaner das wirre Gerede überhört hätte.«
    »Ich weiß nicht, was Elsa so aufgebracht hat. Sie sagt mir nichts, aber ich spüre, dass sie vor Angst außer sich ist. Wenn sich die Lage etwas beruhigt hat, werde ich mich noch einmal eingehend mit ihr unterhalten.«
    »Man könnte fast den Verdacht haben, sie verheimlicht etwas«, stellte Almut sinnend fest. »Wenn sie mir nun ein falsches Mittel oder ein falsch zusammengestelltes mitgegeben hat. Oder vielleicht sogar am nächsten Tag noch ein zweites bei de Lipa vorbeigebracht hat…«
    »Das Schwein hat glücklich überlebt, nachdem es einen Tag lang selig geschlummert hat. Der Hustensaft ist nicht schädlich.«
    »Richtig. Aber ein zweites Mittel?«
    »Warum sollte sie das getan haben?«
    »Weil sie mir misstraute, weil sie vergessen hatte… Ach was, ich fange schon an, Gespenster zu sehen. Das Fläschchen war noch in Jeans Zimmer, als er starb, und Thea hat bestätigt, dass es Hustensaft enthielt!«
    »Halt ein, Almut! Mir ist gerade etwas eingefallen.«
    Magda fuhr sich mit dem Finger lockernd durch das straffe Gebände, während sie

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