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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gehört, und sie wussten auch, dass er den erzbischöflichen Haushalt belieferte. Seit die Streitigkeiten ausgebrochen sind, hat er das jedoch eingestellt.«
    Almut und Pater Ivo setzten sich auf die sonnenwarme Bank am Kelterhaus, aber sie beachteten weder die zwischen den Reben arbeitenden Mönche noch schenkten sie dem trockenen, warmen Wind ihre Aufmerksamkeit, der kleine Staubwirbel über die Wege jagte.
    »Das ist der Punkt, der mir etwas Kopfzerbrechen bereitet. Was hindert de Lipa, Wein nach Bonn zu liefern? Kaum zu glauben – ein Händler, der sich einen fetten Gewinn entgehen lässt,« meinte Almut zweifelnd.
    »Man munkelt, einer der Ratsherren hat es ihm nahe gelegt.«
    »Ah, na dann!«
    »Das erklärt Euch dieses Verhalten?«
    »Der Ehrgeiz des Herrn de Lipa zielt auf die Ratsmitgliedschaft.«
    »Ein hohes Ziel. Aber es ist in der Tat eine Erklärung für sein Verhalten. Und auch für das des findigen Herrn Tilmann. Nehmen wir also an, dass Ihr der Wahrheit zumindest sehr nahe gekommen seid. Einige Fakten werden wir noch prüfen müssen. Ich denke, ich werde selbst dem Bruder Cellerar, der Euch so großzügig bewirtet hat, einen Besuch abstatten. Mir stehen da, glaube ich, Möglichkeiten offen, Auskünfte von ihm zu bekommen, über die Ihr nicht verfügt.«
    »Etwa der Zorn Gottes?«
    »Der auch, Begine, der auch. Widmen wir uns nun der nächsten Schlussfolgerung. Tilmann verschiebt Wein, und Jean hat ihm zugearbeitet. Aus einem noch nicht näher beleuchteten Grund hat er am Dienstag vor einer Woche seinen Gehilfen auf eine noch unklare Art ermordet.«
    »Diesen Schluss zieht Ihr, nicht ich, Pater!«
    »Ihr zogt ihn nicht?«
    »Nein. Ich zog ihn nur in Erwägung.«
    »Aha. Und warum nur das?«
    »Weil mir bislang keine einleuchtende Erklärung dazu eingefallen ist, warum er Jean hätte umbringen sollen. Ich habe lange darüber nachgedacht, und je mehr ich es bedenke, desto unwahrscheinlicher kommt es mir vor.«
    »Legt mir den Lauf Eurer Gedanken dar.«
    »Tilmann hatte die Gelegenheit, ohne Zweifel. Sicher hatte er auch die Mittel. Jemand, der in so vielen Geschäften tätig ist, wird auch über Gifte verfügen. Aber – nennt es ein seltsames Gefühl – ich kann nicht glauben, dass er auf diese heimtückische Weise morden würde. Seht einmal: Er hatte Jean auf irgendeine Art in der Hand. Und zwar so, dass dieser arme Junge sogar seinen hoch geachteten Herren betrog. Wenn es darum ging, ihn zum Schweigen zu bringen, dann musste er doch nur mit seinem Wissen drohen, oder nicht?«
    »Wenn es nicht geplant war, sondern im Affekt geschah?«
    »Mit Gift mordet man nicht im Affekt, Pater.«
    »Ihr seid mit allen Wassern gewaschen, Begine. Aber natürlich habt Ihr vollkommen Recht. In Zorn und Erregung greift man zum Messer oder dergleichen, nicht unbedingt zum Gift. Dazu gehören Planung und Vorsatz.«
    »Pater, ich denke, die wichtigste Frage, die wir beantworten müssen, ist die, womit Tilmann Jean gedroht hat. Dazu müssen wir wohl notgedrungen in seinem Leben herumstochern. Und wer könnte da mehr wissen als ausgerechnet sein Beichtvater.«
    »Begine, glaubt mir, ich habe mir alle Gespräche noch einmal ins Gedächtnis gerufen.«
    »Das habt Ihr gewiss. Und zu welchem Schluss seid Ihr gekommen?«
    »Dass er mir über das übliche Maß nichts an lässlichen Sünden gebeichtet hat.«
    »Dann müssen wir eben herausfinden, was er Euch verschwiegen hat. Pater, ich halte Euch für aufmerksam genug, auch das Ungesagte zu hören.«
    »So, das denkt Ihr von mir?«
    »Nicht nur das. Ich vermute sogar, Ihr wisst in solchen Fällen auch die richtigen Fragen zu stellen, damit das Verschwiegene offenbar wird.«
    »Ihr habt eine hohe – oder soll ich eher annehmen, eine sehr niedrige – Meinung von meinen Fähigkeiten, Begine.«
    »Ich habe sie am eigenen Leib erfahren, Pater!«
    »Vorlautes Frauenzimmer! Aber – ja, ich habe Jean Fragen gestellt, und er hat sie nicht beantwortet. Oder besser gesagt, bis vor etwa einem Jahr war er ein offenes Buch für mich. Dann aber ist etwas eingetreten, das ihn verschlossen werden ließ, und ich habe nie herausgefunden, was sich hinter seinen oberflächlich befriedigenden Antworten verbarg. Aber er trug etwas mit sich herum.«
    »Gab es einen bestimmten Anlass, ein Ereignis, irgendetwas, das in diesen Zeitraum fiel?«
    »Nichts von außergewöhnlicher Wichtigkeit. Er hatte sich gut eingelebt und fand die Billigung seines Herren. De Lipa betraute ihn mit immer wichtigeren

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