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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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getreten, dafür überwog der frische Duft der Zitronen und der zartbittere, fruchtige Geruch der Bitterorangenblüten.
    Clara kam wieder nach unten und sah die beiden nebeneinander sitzen. Neugierig trat sie näher und sog ebenfalls begeistert den Duft ein.
    »Oh, das ist ein feines Wässerchen. Das könnte ich gut gebrauchen. Du weißt doch, meine Kopfschmerzen!«
    »Ich weiß, die kommen immer, wenn du zierliche Muster sticken musst!«
    »Ja, und damit müssen wir jetzt haufenweise Leinen verzieren. Es würde mir sehr helfen, wenn ich so ein Duftwässerchen zur Hand hätte.«
    »Dann wirst du dich sehr gut mit Trine stellen müssen, liebe Clara,« sagte Almut, verstöpselte das Fläschchen wieder und ließ es in ihre Tasche gleiten.
    Pitter, der Päckelchesträger, war es, der Almut die Nachricht ihrer Schwester brachte.
    »Die maurische Hure schickt mich, Frau Begine. Sie lässt Euch sagen –äh –›Dies irae, dies illa, solvet saeculum in favilla.‹ Weiß der Teufel, was das heißt, ich musste es Dutzende Male nachsprechen, damit Ihr es auch richtig versteht!«
    »Dies ira! O weh! Das ist ein Hymnus, Pitter, und er bedeutet, dass am Tag des Zornes die Menschheit zu Asche verbrennt! Ich befürchte Schlimmes!«
    »Dann solltet Ihr, wenn es nachmittags zur Non läutet, zum Friedhof kommen. Sie sagt, sie wartet dort auf Euch. Frau Begine, Ihr scheint Euch an seltsamen Plätzen herumzutreiben!«
    »Wieso? Wir beten für die Verstorbenen, und das macht man nun mal an den Gräbern«, meinte Almut mit unschuldigem Blick.
    »Da müssen aber ein paar mächtige Sünder dabei gewesen sein, dass sie zu Asche verbrennen!«
    »Ja, was erwartest du denn, wenn du einst gestorben bist?«
    »Och, ich finde schon eine fromme Seele, der ich ihre Päckelches auf dem Weg zum Himmelstor nachtragen kann!«
    »Das könnte aber eine ziemlich drückende Last werden, Pitter. Fromme Seelen haben manchmal ganz schön schwere Päckelches zu tragen!«
    »Na, dann muss ich zu Lebzeiten sehen, dass ich ordentlich was zu essen bekomme, was?«
    »Die Maurin hat dir nichts für den Botengang gegeben?«
    »Doch, aber das hat gerade für den Weg hierher vorgehalten!«
    Almut musste über den dreisten Bengel lachen und nahm ihn mit zu Gertrud, die ihm mit der üblichen missmutigen Miene einen Kanten Brot mit Schmalz reichte. Aber es war ein dicker Kanten, und es war reichlich Schmalz darauf.
    Almut ging mit Wissen der Meisterin zu ihrem Treffen mit Aziza, die getreue Trine mit dem Handarbeitskorb im Schlepp. Auf diese Weise erfuhr sie von Bruder Johannes’ Besuch in der Schenke, der dem Benediktiner zuvorgekommen war.
    »Wir können von Glück sagen, dass wir den Abend zuvor dort waren, sonst hätte uns der Inquisitor erwischt.«
    Almut nickte und vermied es, sich die Folgen für sie vorzustellen. Der Tag des Zornes hätte unweigerlich auch sie getroffen!
    »Und jetzt hat er sich an Tilmann gehängt!«, fuhr Aziza fort. »Ich bin gespannt, wie der sich seiner Aufmerksamkeit entzieht.«
    »Pater Ivo ist ihm auch auf der Spur.«
    »Und du, Schwester?«
    »Ich bin an der schönen Frau Dietke de Lipa interessiert. Darum will ich heute Nachmittag auch meine Stiefmutter besuchen. Wenn du magst, begleite mich ein Stück des Wegs.«
    »Gerne. Was hat Frau Dietke besonderes? Außer ihrer Schönheit. Ich kenne sie nicht, es war die Dame, die in der Kirche neben dem Weinhändler stand und dich so abschätzend musterte, nicht wahr?«
    »Die nämliche. Sie kennst du nicht, kennst du ihn?«
    »De Lipa? Als was?«
    »Als Mann?«
    In jener langen Nacht, in der Almut Aziza erklärte, dass sie beide den gleichen Vater hatten, hatte Aziza ihr auch etwas mehr über sich selbst erzählt. Und so wusste sie nun, dass ihre Schwester zwar recht ungebunden lebte, aber ihr Brot nicht durch Hurerei erwarb. Sie hatte derzeit einen reichen Gönner, der sie aufsuchte, wenn er in der Stadt weilte, doch das Haus, in dem sie lebte, hatte sie von ihrer Mutter erhalten, und auch das kleine Vermögen, das sie sorgsam vermehrte, indem sie es zu hohen Zinsen verlieh. Ihren Ruf hatte sie ebenfalls von ihrer Mutter geerbt, der Maurin aus Cordoba, die nie geheiratet und doch immer einen bedeutenden Mann an ihrer Seite gehabt hatte.
    »Als Mann uninteressant. Er gehört zu den ganz wenigen Ehemännern, die ihrer Frau treu bleiben, heißt es. Und so lange Frau Dietke noch so schön und so jung ist, ist das nicht ungewöhnlich.«
    »Er ist erst seit drei Jahren mit ihr verheiratet.«
    »Ach

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