Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
ja, ich erinnere mich, es gab einen Skandal. Seine erste Frau ist mit einem toskanischen Grafen fortgegangen. Es gab viel Gerede damals, aber ich habe mich nicht besonders darum gekümmert. Wenn du meinst, versuche ich, noch etwas darüber herauszubringen.«
    »Ich weiß nicht, ob es uns weiterhilft, aber irgendwie muss ich mir ein Bild machen, und da mag auch so ein kleines Fädchen ein Muster in dem Gewebe vervollständigen.«
    Sie hatten die geschäftige Baustelle des neuen Domes erreicht, dessen Chor bereits hoch zum Himmel aufragte. Es wurde derzeit am Südturm gearbeitet, der schon über das Portal hinausgewachsen war. Arbeiter entluden die Ochsengespanne, auf denen die Steine vom Drachenfels von der Anlegestelle am Rhein transportiert wurden, andere mühten sich ab, sie auf die Gerüste hochzuziehen. Aus der Bauhütte trat Werkmeister Michael, der seit gut zwanzig Jahren den Bau des Domes leitete. Er erkannte Almut, die Baumeistertochter, und nickte ihr zu.
    »Ich grüße Euch, Meister Michael. Läuft die Arbeit gut?«
    »Die üblichen Schwierigkeiten, Lieferungen kommen zu spät, die Maurer zanken sich mit den Steinmetzen, die Zimmerleute mit den Werkzeugschmieden, das Domkapitel ist wie immer zu knauserig und behauptet, kein Geld zu haben. Na ja, nichts ungewöhnlich Ärgerliches also. Ungewöhnliches haben wir aber dennoch, Frau Almut. Seht, die ersten Figuren für das Portal sind fertig gestellt.«
    Zwei der fünf Apostel blickten bereits würdevoll auf die Betrachter herab. Almut nickte bewundernd und meinte: »Sie sehen aus, als ob sie gleich herabsteigen wollten. Ihr habt einen wirklich begabten Steinmetz, Meister Michael.«
    »Oh, es sind ihrer mehrere, sie stammen alle aus der Familie meiner Frau Drutgin. Ihr wisst ja, ihr Vater, Peter, der Parlier, hat sich großen Ruhm in Prag verdient. Die ganze Sippe hat begnadete Hände. Und wie geht es Eurem Vater, dem Meister Conrad?«
    »Er müht sich immer noch ab, das Rheingassentor wieder aufzubauen, das vor zwei Jahren bei dem Hochwasser so stark beschädigt wurde. Es wird ihn noch eine Weile beschäftigen, Ihr braucht also um Eure Stellung nicht zu fürchten!«
    Es war ein alter Scherz zwischen den beiden Männern, der auf einem Körnchen Wahrheit beruhte. Almuts Vater wäre nämlich zu gerne Dombaumeister geworden.
    »Aber ich selbst arbeite daran, Euch Konkurrenz zu machen. Mein erstes Bauwerk habe ich beinahe beendet!«
    »Wahrhaftig, Frau Almut? Lässt es sich mit dem da messen?«
    Er warf einen Blick zu den hohen Spitzbögen des Domes empor.
    »Noch nicht ganz, aber ich habe natürlich erst einmal klein angefangen. Ein Schweinestall, aber solide gebaut und sogar mit Säulenkapitellen an der Tür. Überreste von einem alten Tempel, sagte man mir.«
    Meister Michael kannte Almut schon von Kindheit an, und er erwiderte gerne ihren gutmütigen Spott. Während sie miteinander plauderten, schlenderten Aziza und Trine zu den Buden und Ständen rund um den Domplatz und kamen jetzt langsam wieder näher. Trine war es wieder einmal gelungen, sich etwas zu erschmeicheln. Sie trug stolz ein blaues Band am Ende ihres langen honigblonden Zopfes.
    »Wer sind Eure hübschen Begleiterinnen, Frau Almut?«
    »Trine, das Mädchen, gehört zu unserem Konvent. Unsere Apothekerin hat sie eines Tages aufgelesen und kümmert sich um sie. Sie ist taub und stumm, aber eine willige Helferin.«
    »Armes Kind. Ihr tut fleißig Werke der christlichen Barmherzigkeit. Und die andere? Auch ein Werk der Barmherzigkeit?«
    »Aber nein, ganz und gar nicht. Sie ist ein Werk der Liebe, Meister Michael. Das ist meines Vaters Tochter…«
    »Oh!«
    »Sie heißt Aziza.«
    »Oh!«
    Aziza war nun neben sie getreten und schenkte dem Dombaumeister eines ihrer hinreißendsten Lächeln. Der gestandene Mann brachte kein weiteres Wort heraus.
    »Ich bin auf dem Weg zu meinem Elternhaus, Meister Michael. Ich will Frau Barbara gern Eure Grüße ausrichten, wenn Ihr denn wieder sprechen könnt!«
    Ihr alter Freund hatte sich wieder gefangen und antwortete: »Oh, ja. Bitte tut das, und natürlich auch Eurem Vater. Er soll doch mal wieder vorbeischauen. Sagt ihm, Frau Drutgin braut ein wunderbares Bier!«
    »Das will ich tun, Meister Michael. Einen schönen Tag noch.«
    Sie wandten sich zum Gehen, und einige Schritt weiter verabschiedete sich auch Aziza von ihr.
    »Ich muss noch einiges erledigen. Gib mir Bescheid, wenn du etwas Neues herausgefunden hast. Ich werde das Gleiche tun.«
    Almut

Weitere Kostenlose Bücher