Der dunkle Spiegel
Dominikaner. Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt!«
Tilmann, eine langsam sich blau färbende Prellung an der Stirn und getrocknetes Blut im Mundwinkel, zerschrammt und angeschlagen, zeigte nicht nur ein geradezu freches Selbstbewusstsein, sondern auch eine Starrköpfigkeit, die durch nichts zu erschüttern war. Er schwieg beharrlich über die Hintergründe seiner Taten. Ein anderer als Bruder Johannes hätte ihm das vielleicht sogar als ehrenvolles Verhalten ausgelegt.
Einen anderen als Bruder Johannes hätte auch seine letzte Bemerkung stutzig gemacht. Aber den ergrimmten der sture Gefangene und der mangelnde Nachdruck der Befragung derart, dass sein Gallenstein in Bewegung geriet und er mit heftigen Schmerzen den Kerker verlassen musste.
22. Kapitel
Am Montagvormittag kündete Mettel dem Kreis der eifrig nähenden und stickenden Beginen im Refektorium an, dass Pater Ivo an der Pforte sei.
»Ich gehe, Magda. Ich nehme an, er will mich sprechen.«
»Du brauchst in der letzten Zeit aber häufig geistlichen Beistand, Almut!«, stichelte Thea.
»Ich bin eben eine große Sünderin vor dem Herren.«
»Lasst sie in Ruhe!«, mischte sich Magda ein. »Sie hat eine schwierige Aufgabe übernommen. Wenn sie gelöst ist, werdet ihr mehr darüber erfahren.«
Magda und Almut hatten nach dem missglückten Fest bei de Lipa noch lange zusammengesessen und versucht, die Eindrücke zu ordnen. Doch es fehlte noch ein wichtiges Stück in dem Bild, um einen Sinn darin zu erkennen. Almut setzte ihre Hoffnung auf Pater Ivo, und darum freute sie sich über sein Kommen.
»Ihr scheint ein reines Gewissen zu haben, Begine. Sonst würdet Ihr zu meiner Begrüßung nicht so freudig lächeln.«
»Kein ganz reines, Pater, aber es ist auszuhalten. Habt Ihr Neuigkeiten? Ich jedenfalls habe welche.«
»Wunderbar. Dann berichtet Ihr mir die Euren, während wir uns auf den Weg zu Meister Krudener machen, der uns hoffentlich ebenfalls etwas Wichtiges verrät.«
»Gut, ich bin gleich bereit, mit Euch zu gehen. Trine wird uns begleiten, wenn Ihr nichts dagegen habt.«
»Das seltsame taube Mädchen, das so gerne herumschnüffelt?«
Almut nickte und kehrte ins Refektorium zurück, um sich abzumelden und Trine ein Zeichen zu geben. Diese legte erfreut Nadel und Stoff beiseite. Handarbeiten liebte sie lange nicht so wie die Tätigkeit in der Apotheke oder gar das Arbeiten im Garten. Allerdings machte sie ein abwehrendes Gesicht, als sie Pater Ivo sah, und Almut hatte alle Mühe, sie zum Mitgehen zu bewegen.
»Was hat das Kind denn? Sie war neulich schon so misstrauisch.«
»Sie hat Angst vor Mönchen. Könnt Ihr es ihr verdenken? Sie hat mit angesehen, wie der Inquisitor ihre Beschützerin Elsa in Panik versetzte und wie er mich bedrohte. Ich kann mich zwar mit ihr verständigen, aber alles kann ich ihr nicht erklären.«
»Dann muss ich mich wohl selbst um ihr Wohlwollen bemühen, scheint es.«
»Eine harte Aufgabe, gerade für Euch, Pater!«
»Nun, bei Euch ist es mir doch auch gelungen, oder nicht?«
»Ich bin ja auch nicht taub.«
»Und vor allem nicht stumm. Aber lassen wir die Waffen eine Weile ruhen. Erzählt mir Eure neuen Erkenntnisse.«
Almut fasste die Ereignisse der letzten Tage zusammen und schloss: »Frau Dietke hat die Arznei verdünnt. Sie behauptet, sie habe selbst einige Löffel voll davon genommen. Aber ich bin mir sicher, dass sie lügt.«
»Seid Ihr denn sicher, dass sie die Mörderin ist?«
»Vielleicht ist sie es nicht. Aber dann weiß sie, wer es ist, und sie deckt den Mörder.«
»Eine schwer wiegende Anschuldigung, die Ihr da aussprecht.«
»Das ist sie, aber solange wir nicht wissen, wodurch Jean gestorben ist, ist es nur ein Verdacht.«
»Wenn uns das Glück hold ist, werden wir sogleich mehr dazu erfahren.«
»Meister Krudener?«
»Er ist ein Berufsgenosse Eurer Apothekerin, und unser Bruder Markus spricht mit großer Achtung von ihm, obwohl er ihn selbst noch nicht kennen gelernt hat. Aber er hat wohl ein ungewöhnliches Traktat über die Wirkung bestimmter Stoffe geschrieben, das ihn beeindruckt hat. Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe Leute, die ihm mit großer Vorsicht begegnen und sogar davor warnen, seinen Laden aufzusuchen.«
»Hat er einen solch schlechten Ruf?«
»In gewissen Kreisen schon.«
»Ihr macht mich neugierig.«
»Warnungen haben scheint’s eine solche Wirkung auf Euch. Anderen würde das eher Angst machen.«
»Ihr seid auch nicht gerade blass vor Furcht, Pater
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