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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ivo.«
    »Ich muss schließlich Haltung vor Euch bewahren, Begine! Stürzen wir uns in das Abenteuer?«
    »Gerne. Ist es hier?«
    Sie hatten ein hohes, schmales Haus am Neuen Markt erreicht, zu dessen Eingangstür unter den vier wuchtigen Säulen des Vorbaus drei steinerne Stufen führten. Als Pater Ivo die Tür nach dem Anklopfen öffnete, sog Trine hinter Almut erstaunt die Luft durch die Nase.
    »Meister Krudener, seid Ihr zu Hause?«, rief Pater Ivo in die halbdunkle Diele hinein, die einen höhlenartigen Eindruck machte, weil nur durch zwei schmale Fenster beidseitig der Tür etwas Licht fiel.
    »Nicht für jeden!«, hörten sie eine hohe heisere Stimme antworten. »Wer seid Ihr?«
    »Ivo vom Spiegel und zwei Begleiterinnen.«
    Almut verschluckte sich beinahe, als sie den Namen hörte. Die Familie derer vom Spiegel gehörte ebenfalls zu den alteingesessenen Kölner Patriziern. Sie hatte sich nie Gedanken über Pater Ivos Herkunft gemacht, und jetzt war sie mehr als überrascht, denn bislang hatte sie angenommen, dass er erst seit wenigen Jahren in der Stadt weilte. Ihre Überraschung wuchs noch, als der Mann, zu dem die hohe, heisere Stimme gehörte, schließlich erschien. Eine magere, hochgewachsene Vogelscheuche in einem langen Gelehrtengewand flatterte zwischen den Regalen und einem mit Mörsern und Tiegeln, Töpfen und Krügen übersäten Tisch herbei. Um den Kopf gewunden trug diese Gestalt eine gewaltige Menge Stoff, deren eines Ende in einem langen Streifen über ihre rechte Schulter fiel. Meister Krudener wedelte mit den Händen, und Almut fürchtete um die Gefäße, die bis hoch an die Decke die Regale füllten.
    »Ivo vom Spiegel?«, krächzte der seltsame Vogel. »Als Mönch? Mit einem solchen Bruder will ich nichts zu tun haben!«
    Er drehte sich wieder um und wollte grußlos verschwinden.
    »Meister Krudener? Steht Ihr vielleicht mit Beginen auf besserem Fuß als mit Mönchen?«, rief Almut ihm hinterher, schwankend zwischen Belustigung und Ärger.
    »Hä, Beginen? Oh, Ihr meint diese aufsässigen Frauen, die in der Kirche mit den Priestern disputieren?«
    »Na ja, unsere Hauptbeschäftigung ist das nicht, Meister Krudener.«
    »Könnte es aber ruhig werden!«
    »Sie disputiert oft genug mit mir, also redet ihr da nicht zu«, bemerkte Pater Ivo trocken.
    Immerhin war die Neugier des Apothekers an seinen Gästen geweckt, und er kam wieder näher und wandte sich an Almut.
    »Das tut Ihr? Ihr habt meine Wertschätzung, Frau Begine. Und dieses Kind, disputiert das auch schon?«
    »Sie kann es nicht und wird es nie tun. Trine ist taub und stumm. Aber sie kann andere Dinge dafür sehr gut.«
    »Ahh, na dann. Und was führt so eine seltsame Gesellschaft wie Euch zu mir? Ein schwarzer Mönch, eine hübsche Begine und ein stummes Kind? Wenn Ihr die Folgen Eurer Unkeuschheit beseitigt haben wollt, dann werde ich Euch nicht helfen!«
    Almut versteckte ihre Belustigung, und mit trügerisch sanfter Stimme sagte sie: »Kräutermann, wäre dies meine Sorge, würde ich mich vertrauensvoll an unsere Apothekerin wenden und nicht an ein staubiges Tuch wie Euch!«
    »Begine!«, kam es vorwurfsvoll von Pater Ivo, doch zu ihrer beider Erstaunen brach Meister Krudener in ein krähendes Lachen aus.
    »Ein aufsässiges Weib, fürwahr! Nun denn, Ivo vom Spiegel, wie habe ich Euch heuer anzureden? Ist ehrwürdiger Vater der rechte Titel?«
    »Aber nein, die Abtswürde strebe ich nicht an.«
    »Aber nur ein schlichter Bruder Ivo seid Ihr auch nicht, oder täusche ich mich da?«
    »Gewöhnlich nennt man ihn Pater Ivo, Meister Krudener«, mischte sich Almut ein, die den beiden mit wachsendem Erstaunen zugehört hatte und sich so ihre Gedanken machte.
    »Ein Priester. Je nun, das setzt natürlich dem Ganzen die Krone auf. Doch mag Euch der Titel eines ehrwürdigen Vaters auch zustehen, wenn auch in anderer Form, als Ihr erwartet!« Wieder krähte der Apotheker vor Lachen, und Pater Ivo schüttelte nur den Kopf.
    »Und Ihr?« Krudener wandte sich Almut zu. »Wie habe ich Euch zu nennen? Schwester? Mutter? Meisterin?«
    »Eine Schwester bin ich in meiner Familie, Meisterin in unserem Konvent ist Frau Magda von Stave. Ich bin Almut, eine Begine.«
    »Und keine Mutter?«
    Almut senkte den Kopf, denn diese Wunden schmerzten sie auch noch nach langer Zeit. Doch dann fing sie sich wieder und sah dem seltsamen Mann, der sie mit unerwartet sanften Augen musterte, aufrecht ins Gesicht.
    »Ihr könnt mich Frau Almut nennen.«
    »Ah, Frau

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