Der dunkle Thron
brechen, aber dann legte Suffolk dem König für einen kurzen Moment die Hand auf den Arm, und Henry ließ von seinem Opfer ab und schleuderte es von sich.
Louise landete im Gras, und der König stapfte mit Siebenmeilenschritten davon.
Nick verschränkte die Arme, sah zum Himmel auf und schnalzte mit der Zunge. »Das sieht aber alles gar nicht gut aus …«
Jerome trat ihn unsanft in die Wade, dann eilte er Boleyn und den übrigen Höflingen nach, die eine Traube um Brechnuss bildeten.
Nick folgte ihnen gemächlichen Schrittes, und darum stand er ganz hinten und konnte Louise zwischen all den edel gewandeten Menschen nicht sehen.
Doch mit einem Mal kämpfte sich eine kleine Gestalt zwischen den vielen Beinen und Röcken hindurch nach außen, sah sich einen Moment um und entdeckte Nick keine fünf Schritte zur Rechten.
»Ray.« Der junge Earl of Waringham trat zu seinem Bruder und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Es ist eine Prinzessin geworden, nehme ich an?«
Raymond nickte, senkte den Kopf und brach in Tränen aus.
Nick war unentschlossen, ob er sich ihm anschließen oder lachen sollte.
Eine Prinzessin.
Welch grandiose Ironie des Schicksals. Henry hatte seine rechtmäßige Gemahlin verstoßen, seine legitime Tochter zum Bastard erklärt, hatte jeden anderen Herrscher der Christenheit und nicht zuletzt den Papst gegen sich aufgebracht – der keine sechs Wochen nach Anne Boleyns Krönung endlich sein Urteil gefällt, Henrys Ehe mit Catalina für rechtmäßig erklärt und dem König mit Exkommunikation gedroht hatte –, hatte sich international isoliert, den Unwillen seiner Untertanen erweckt und den inneren Frieden des Reiches aufs Spiel gesetzt. Alles, weil er einen Sohn wollte. Stattdessen hatte Königin Anne ihm ein Töchterchen geboren.
»Er hat Louise eine gottverfluchte Unglücksbotin genannt und auf die Erde geschubst«, vertraute Raymond ihm mit bebender Stimme an.
»Ach, er beruhigt sich schon wieder«, erwiderte Nick beschwichtigend. »Und das solltest du auch schleunigst tun, denn da vorn steht dein Vormund und wirft uns finstere Blicke zu.«
Kaum hatte er ausgesprochen, da kam Norfolk schon zu ihnen herüber, sah kurz auf Raymond hinab und verpasste ihm eine Ohrfeige. »Was stehst du hier herum und flennst, Bengel? Hast du keine Pflichten zu erfüllen?«
Raymond nahm sich augenblicklich zusammen und verneigte sich vor seinem Onkel. »Vergebt mir, Mylord«, bat er ein wenig zittrig, machte kehrt und stob davon.
»Er war durcheinander, weil Seine Majestät seine Schwester …«
»Ja, ich hab’s gesehen«, knarzte Norfolk. »Was musste auch ausgerechnet das dumme Luder ihm die Nachricht bringen? Da bemühe ich mich tagein, tagaus um ihre Zukunft, und dann begeht sie so eine Dummheit.«
Nick hob gleichgültig die Schultern. Norfolks und Louises Sorgen waren seinem Herzen nicht besonders nahe. »Irgendwer musste es ihm beibringen, oder? Wenigstens hat sie Schneid.« Habe ich gerade wirklich etwas Nettes über Brechnuss gesagt?
»Jemand soll dafür sorgen, dass dieser Menschenauflauf sich zerstreut«, sagte Norfolk mit gerunzelter Stirn. »Ach, und Waringham, seid so gut und verhindert, dass George Boleyn Lady Jane Seymour an die Wäsche geht. Dieser Tor denkt immer nur mit dem Schwanz und wird sich eines Tages in Teufels Küche bringen. Ihr habt doch Einfluss auf ihn …«
Nick trat einen kleinen Schritt zurück und deutete eine Verbeugung an. »Ich habe hier auf nichts und niemanden Einfluss, Euer Gnaden. Und jetzt muss ich Euch bitten, mich zu entschuldigen.«
»Was?«, fragte der Herzog verdutzt. »Wo wollt Ihr denn hin?«
»Nach Newhall. Irgendwer sollte die Prinzessin … Pardon, Lady Mary von der Geburt ihrer Schwester unterrichten. Ein Freund nach Möglichkeit, kein Bote der Königin.«
Norfolk stieß einen halb angewiderten, halb ungeduldigen Laut aus. »Also meinetwegen. Ihr könnt ihr gleich ausrichten, sie soll ihren Schmuck herausrücken. Der steht jetzt der neuen Prinzessin zu.«
»Wie überaus vorausschauend.«
Norfolk hob drohend die Faust. »Besser, Ihr geht mir aus den Augen, Ihr Flegel …«
London, November 1533
»Fünfzehn Pfund und keinen Penny mehr«, sagte Nick. »Das ist mein letztes Wort.«
»Aber Sir, dafür kann ich ihn nicht hergeben«, jammerte der Pferdehändler. »Wenn ich bedenke, wie viel ich über den Herbst für sein Futter ausgegeben habe … Bier hab ich ihm gegeben, damit er wieder auf die Beine kommt. Das hat mich einen
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