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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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berichtete Lauras Gemahl. Genau wie Nick zwei Stunden zuvor stellte er sich mit dem Rücken vors Feuer.
    John gesellte sich zu ihm. »Cromwell hat sie und vier ihrer Anhänger in den Tower sperren lassen. Sie sollen wegen Verrats angeklagt werden.«
    Es war einen Moment still in der kleinen Halle, nur das Knistern der Scheite war zu hören.
    Schließlich murmelte Nick. »Und so beginnt es also.«
    »Was beginnt?«, fragte Laura. »Was meinst du?«
    »Cromwell will jeden mundtot machen, der sich für Catalina und gegen Anne Boleyn ausspricht. Er träumt davon, in Henrys Namen eine Schreckensherrschaft zu errichten wie zu Zeiten der römischen Tyrannen, wo niemand mehr wagen kann, zu sagen, was er denkt. Darum hat er mit Elizabeth Barton angefangen. Wenn nicht einmal die heilige Jungfrau von Kent sicher ist, sollen wir denken, dann ist es wohl besser, wir machen uns ganz klein und verhalten uns still.«
    Elizabeth Barton war eine Nonne aus Canterbury, die weit über die Grenzen von Kent hinaus verehrt wurde, denn sie war eine berühmte Mystikerin und hatte Visionen. Bauern, Bürgersleute und Adlige waren gleichermaßen zu ihr gegangen, um sie um Rat und Fürsprache zu bitten. Doch seit der König zum ersten Mal seine Absichten offenbart hatte, Königin Catalina zu verstoßen, hatte »die heilige Jungfrau von Kent«, wie viele sie nannten, ihm die fürchterlichsten Dinge prophezeit, falls er seine Absichten in die Tat umsetzte. Zuletzt hatte sie seinen baldigen Tod und den Untergang seines Reiches geweissagt. Und weil Henry eine geradezu lächerliche Furcht vor allen erdenklichen Krankheiten hatte und neuerdings auch davor zitterte, dass Catalinas Neffe, Kaiser Karl, mit seinen Heerscharen in England einfallen könnte, hörte er weder das eine noch das andere sonderlich gern.
    »Denkst du nicht, du übertreibst ein bisschen?«, fragte John skeptisch. »Sie ist nur eine abergläubische, verwirrte Frau, die sich gern in der öffentlichen Aufmerksamkeit sonnt.«
    »Nun, du kannst glauben, was du willst. Meine Stiefmutter hat sie vor Jahren einmal aufgesucht, um sie zu begaffen, und Barton fiel in eine ihrer Trancen und sprach von Sumpfhexes Zwillingsbruder, der bei der Geburt gestorben war. Meine Stiefmutter war völlig aufgelöst, als sie heimkam, denn niemand außer ihrer Mutter und ihr hatte je von diesem Bruder gewusst. Ich kann nicht sagen, ob Barton ihre Visionen wirklich von Gott oder der Heiligen Jungfrau geschickt bekommt, aber sei versichert, sie sieht Dinge, die andere nicht sehen. Das ist allgemein bekannt. Darum dürfte es dem König verdammt unbequem sein, was sie kundtut. Also ab mit ihr in den Tower. Sie wird früher oder später ein Geständnis ablegen, und dann werden sie sie hinrichten, wart’s ab. Und sie wird nicht die Letzte sein.« Er verstummte abrupt, als ihm etwas einfiel, wovon ihm ganz flau wurde. »Es ist Sir Thomas …«
    Die anderen tauschten verständnislose Blicke. »Sir Thomas More?«, fragte Philipp. »Was hat er damit zu tun?«
    »Er hat sie öffentlich verteidigt«, erinnerte sich Nick. »Anfangs hat er sie belächelt und den Kopf geschüttelt, aber dann ist er hingeritten und hat sie befragt, und als er zurückkam, hatte er seine Meinung geändert. Er hat sie öffentlich eine heilige, gottesfürchtige Frau genannt. Seither hören alle noch einmal so genau hin, wenn sie den Mund aufmacht. Ihm gilt dieser Angriff, seid versichert. Die arme Nonne ist nur Mittel zum Zweck.«
    Philipp betrachtete ihn skeptisch. »Weißt du, ich kann ja verstehen, dass du für Cromwell nicht viel übrig hast, aber er ist kein Teufel. Nur ein ehrgeiziger kleiner Hofbeamter.«
    »Der alles, wirklich alles tut, um Henrys Vertrauen und Wohlwollen zu gewinnen«, fügte Nick hinzu. »Und nicht mehr lange, dann wird er Henry beherrschen so wie Wolsey es einst getan hat, denn der König widmet sich ja lieber dem Hofleben und der bislang erfolglosen Zeugung von Söhnen. Und dann werden wir vielleicht feststellen, dass der Teufel von Thomas Cromwell noch etwas lernen könnte.«

Newhall, Dezember 1533
    »Es ist genauso gekommen, wie Ihr prophezeit habt, Lord Waringham«, sagte die Prinzessin, die keine mehr war. »Man hat der armen heiligen Frau ein Geständnis abgerungen, und jetzt wird sie nichts mehr retten.« Wütend stieß sie die Luft aus, die in der Winterkälte eine große, weiße Wolke bildete.
    »Ich wünschte, ich hätte mich geirrt«, gab Nick beklommen zurück und wickelte den Mantel fester um

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